Verlag: btb
erschienen: 2015
Seiten: 352
Ausgabe: Hardcover
ISBN: 3442754917
Klappentext:
Die berühmte Bestsellerautorin Linda Conrads lebt sehr zurückgezogen. Seit elf Jahren hat sie ihr Haus nicht mehr verlassen. Als sie im Fernsehen den Mann zu erkennen glaubt, der vor Jahren ihre Schwester umgebracht hat, versucht sie, ihm eine Falle zu stellen – Köder ist sie selbst.
Dass sie darüber hinaus eine schreckliche Erinnerung aus der Vergangenheit quält, wissen nur wenige. Vor vielen Jahren hat Linda ihre jüngere Schwester Anna in einem Blutbad vorgefunden – und den Mörder flüchten sehen. Das Gesicht des Mörders verfolgt sie bis in ihre Träume. Deshalb ist es ein ungeheurer Schock für sie, als sie genau dieses Gesicht eines Tages über ihren Fernseher flimmern sieht. Grund genug für Linda, einen perfiden Plan zu schmieden – sie wird den vermeintlichen Mörder in eine Falle locken. Doch was ist damals in der Tatnacht tatsächlich passiert?
Rezension:
Nach dem Beenden dieses Buches, kann ich einfach nicht glauben, dass es sich dabei um einen Debütroman handelt. Melanie Raabe umschifft gekonnt Klischees, baut Wendungen ein, wo man keine vermutet und verpackt das alles in eine pointierte feingeschliffene Sprache, die mich von der ersten Seite an gefangen genommen hat.
Zwischendurch gibt es Szenen, wo man es nicht mal wagt zu atmen und einfach wie ein gejagtes Tier die Seiten umschlägt, um immer schneller zu lesen. Besonders beim Interview zwischen Linda und Lenzen, legt Raabe ein unglaubliches Tempo vor. Seitenweise Dialoge, Wörter, die wie Peitschenhiebe zwischen den Protagonisten hin und her knallen und dabei immer wieder diese atemlose Spannung, weil absolut nicht absehbar ist, wohin dies alles führt.
Ich bin jetzt keine absolute versierte Krimileserin, denn ich lese auch viele andere Genres, aber so leicht kriegt man mich doch nicht aufs Glatteis. Aber Raabe schafft dies vorzüglich. Dies gelingt ihr nicht nur durch die Figuren und hier besonders durch Linda, die selbst immer wieder nicht genau weiß, was und wem sie glauben kann und sich sogar selbst in Frage stellt, sondern auch durch einen besonderen Kniff. In „Die Falle“ gibt es auch immer wieder Kapitel aus Lindas neuem Buch, die den Mord an ihrer Schwester romanhaft abbildet. Diese Geschichte ist klar vom eigentlichen Buch abgegrenzt (kursive Schrift, eigene Überschriften, etc.), läuft aber parallel und führt deswegen immer wieder auf falsche Fährten.
Ich glaube, dass es sehr gute und sehr böse Menschen gibt und alles dazwischen. Möglicherweise sind wir so besessen von den Nuancen, von dem Dazwischen, dass wir die Menschen ausblenden, die sich am Ende der Skala befinden. Wir nennen sie Klischees oder unrealistisch. Aber es gibt solche Menschen. (Seite 164)
Natürlich steht und fällt dieser Roman mit seiner Protagonistin. Gekonnt zeigt Melanie Raabe, was es bedeutet, wenn man durch eine psychische Krankheit so ins Abseits gedrängt wird, das man ein Leben als Einsiedler führen muss.
Die Menschen glauben, dass es schwer ist, über ein Jahrzehnt lang das Haus nicht zu verlassen. Sie denken, dass es leicht ist, aus dem Haus zu gehen. Und sie haben recht, es ist leicht, aus dem Haus zu gehen. Aber es ist auch leicht, es nicht zu tun. Aus ein paar Tagen werden schnell ein paar Wochen. Aus ein paar Wochen werden Monate und Jahre, und das klingt lang, gewaltig lang, aber es ist doch immer nur ein weiterer Tag, der sich an den letzten reiht. (Seite 296)
Wobei ich hier den kleinen Kritikpunkt anbringen muss, das Linda dieses Leben auch so nur führen kann, weil sie das nötige Kleingeld hat für Gärtner, Assistentin, etc. Dem Otto-Normalverbraucher bleibt bei so einer starken Einschränkung wohl irgendwann nur noch der Schritt in die Psychiatrie, will man nicht zu Hause verhungern, weil man nicht einkaufen gehen kann. Dennoch wird Lindas Angststörung durchaus realistisch beschrieben, was sich besonders auch in der Sprache wiederspiegelt. Sie betont Lindas eigene Welt durch kurze prägnante Sätze und die Beschreibungen, die sich manchmal so anfühlen, als stünde die Protagonistin in einem Raumschiff und würde von oben auf den Rest des Planeten blicken, der so unglaublich weit weg ist, dass die Wiese vor ihrem Haus auch der Mars sein könnte.
Es ist absolut verwirrend, wie Melanie Raabe nicht nur mit dem Leser, sondern auch mit ihrer Protagonistin spielt und schließlich alles in Frage stellt und man kaum noch weiß, was Wahrheit und Fiktion ist. Zwar fand ich das Ende jetzt nicht so unglaublich überraschend, dafür gab es aber während des Buches genug Szenen, die mich auf dem falschen Fuß erwischt haben und weswegen ich „Die Falle“ einfach als großes Ganzes sehr sehr spannend fand. Ich hoffe, wir müssen nicht all zu lange auf ein neues Buch dieser begabten Autorin warten.
Note: 2+