Swanson, Peter: Die Gerechte

Originaltitel: The kind worth killing
Verlag:
Blanvalet
erschienen:
2017
Seiten:
416
Ausgabe:
Klappenbroschur
ISBN:
3734103592
Übersetzung:
Fred Kinzel

Klappentext:

Eine Flughafenbar in London. Es ist Abend, und Ted Severson wartet auf seinen Rückflug nach Boston, als eine attraktive Frau sich neben ihn setzt. Kurz darauf vertraut er der geheimnisvollen Fremden an, dass seine Frau ihn betrogen hat. Mit ihrer Reaktion jedoch hat er nicht gerechnet: Sie bietet ihm Hilfe an – beim Mord an seiner Ehefrau. Ein Trick? Ein morbider Scherz? Oder ein finsteres Rachespiel, das nur ein böses Ende nehmen kann?

Rezension:

Peter Swansons Debütroman hat mich restlos begeistert, gerade weil es kein typischer Thriller ist. Tatsächlich dauert es ca. 180 Seiten bis es durch eine Wendung richtig spannend wird. Doch bis dahin kommt trotzdem keine Langeweile auf, denn Swanson hat eine unglaublich lebendige und fließende Schreibe, die für meine Begriffe vielen momentan erfolgreichen Thrillerautoren eine Nasenlänge voraus ist. Er hat ein unglaubliches Auge für Beschreibungen, für Figuren und deren Vergangenheit.

Aber von vorn. Peter Swanson erzählt seinen Roman aus mehreren Perspektiven. Anfangs durch die Ich-Erzähler Ted und Lily und später kommen noch andere Erzählperspektiven hinzu. Während Ted über seine Begegnung mit Lily berichtet und schließlich in Rückblenden den Ehebruch seiner Frau schildert, ist es doch besonders Lilys Vergangenheit, die dem Roman eine unglaubliche Tiefe gibt.

Eigentlich taugt keine Figur in „Die Gerechte“ als Sympathiefigur, aber obwohl Lily absolut kaltblütig ist, lässt ihr Charakter einen nicht los. Als Kind eines Künstler-Ehepaares hat sie kaum Erziehung genossen und wurde immer irgendwie allein gelassen. Früh lernt sie, sie muss für sich selbst sorgen. Dieser Handlungsstrang ist dermaßen gut erzählt, dass er mühelos in jedem aktuellen großen amerikanischen Roman stehen könnte.

Es fällt schwer von Lilys Taten nicht fasziniert zu sein. Hier erinnerte sie mich ein bisschen an Hannibal Lecter, auch wenn sie ansonsten nichts gemeinsam haben und sie aus unterschiedlichen Gründen so handeln, wie sie es nun mal tun. Beide haben diese Aura, die dazu führt, dass man sich ihnen nicht entziehen kann. Bei beiden wünscht man sich irgendwie, dass sie mit ihren Verbrechen durchkommen, obwohl dies moralisch natürlich mehr als fragwürdig ist.

Was mir auch gut gefallen hat, ist der fast vollständige Verzicht auf Brutalität. Da wird nichts seitenlang beschrieben oder Blut an die Wände gespritzt. Wenn etwas gewalttätiges passiert, dann wird es kurz in 1-2 Sätzen erwähnt und dann geht es auch weiter. Swanson benötigt unnötige Grausamkeiten einfach nicht. Figuren und Handlung sprechen für sich.

Tatsächlich legt der Thriller so ab ca. 180 Seiten mit einer famosen Wendung richtig los. Ich habe diesen Kniff wirklich nicht voraus gesehen und wurde auch vom weiteren Verlauf der Handlung nicht enttäuscht. Dem Autor gelingt es alle Fäden vernünftig zu verbinden. Es gibt jede Menge Überraschungen und eine letzte fast schon amüsante Wendung auf der letzten Seite, der dem Thriller das für mich einzig vernünftige Ende beschert.

Ehrlich gesagt, habe ich ein völlig anderes Buch erwartet. Eben einen Thriller, wie er momentan so üblich ist. Bekommen habe ich ein stilistisch unsagbar gutes Buch mit ungewöhnlichen Figuren, prägnanten Charakterstudien und einem stimmigen Schluss. Was will man mehr! Ich befürchte allerdings, dass nicht jeder  die geschliffene Sprache zu würdigen weiß und es dem ein oder anderen dann doch zu wenig Thrill ist. Für geprüfte Thrillerhasen, die allerdings mal etwas anderes suchen, ist „Die Gerechte“ ein Geheimtipp!

Note: 2+

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