Finnek, Tom: Unter der Asche

Verlag: Bastei Lübbe
Erschienen:
2011
Seiten: 656
Ausgabe: Taschenbuch
ISBN: 3404160517

Klappentext:

Ein faszinierender Roman rund um das große Feuer von London London 1666 ═ vier Tage lang verschlingt ein Feuer die Stadt. Im Armenviertel Southwark lebt der Straßenjunge Geoff, der mehr schlecht als recht versucht, seine Familie durchzubringen. Seine Schwester Jezebel, die sich in einer verruchten Spelunke als Schankmagd verdingt, birgt ein Geheimnis ═ und verschwindet eines Tages spurlos. Auf der Suche nach ihr stößt Geoff auf ein Netz aus Intrigen, Schuld und ungesühnter Rache ═ ein Gemisch, das schließlich den größten Brand der Geschichte entfachen sollte …

Rezension:

Dieses Buch hat mich noch lange beschäftigt nachdem ich es beendet hatte und daher hat es auch etwas länger gedauert, bis ich erkannte, WARUM dieses Buch so einen nachhaltigen Eindruck bei mir hinterlassen hat. Das Besondere an diesem historischen Roman ist der Erzählstil, den Tom Finnek gewählt hat. Der Autor überlässt es quasi seinen Protagonisten ihre Geschichte zu erzählen.

Während der Leser im Prolog die ersten beiden Hauptdarsteller kennenlernt und über die Ereignisse nach dem großen Brand in London informiert wird, ist er auch schon mitten drin in der Geschichte. Denn am Ende des Prologs fordert der Lehrer, den Schüler Geoffrey auf, zur Feder zu greifen. Geoffrey ist gerade mal 13 Jahre alt und schreibt munter, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, drauf los. Diese kindliche Sichtweise der Ereignisse verzaubert den Leser und zieht ihn schnell in seinen Bann.

Der Autor erzählt hier nicht vom Adel oder von spannenden Intrigen an irgendwelchen Königshöfen. Nein, hier präsentiert ein Autor die ungeschminkte Wahrheit zu dem alltäglichen Überlebenskampf der einfachen Menschen in Londons Straßen und Gassen. Geoffrey lebt in furchtbar ärmlichen Verhältnissen und von Familienleben kann keine Rede sein, denn er wächst zwischen Gaunern, Säufern und gewalttätigen Menschen auf. Über den Dreck, den Hunger und seine Ängste spricht er nur zwischen den Zeilen, aber da mit besonderer Intensität. Man spürt beim Lesen die Gefühle des Jungen, ohne das er sie deutlich beschreibt. Man lacht und leidet mit Geoffrey, denn er ist wirklich clever. Wenn Geoffrey von seiner Familie erzählt und von seinen Erlebnissen, dann entwickelt die Handlung eine sehr emotionale Atmosphäre und dieser junge Held verleiht durch seinen lockeren und kindlich naiven Erzählstil dem Roman einen ganz besonderen Charme.

Aber auch die anderen Protagonisten kommen zu Wort und schreiben ihre Schicksale aus ihrer Sicht auf. Dabei ist ein jeder auf der Suche nach der Wahrheit. Als Leser spürt man sehr schnell, dass diese Wahrheiten, Ereignisse und auch Schicksale der einzelnen Protagonisten irgendwie zusammen hängen. Allerdings werden die Ereignisse aus so vielen verschieden Perspektiven erzählt, dass man am Ende mehr Wahrheiten hat als einem lieb ist. Dennoch habe ich zum Schluss festgestellt, dass jede Lösung eines Rätsels, auch immer die logische Konsequenz aus der Handlung war. Von daher war auch nicht jede Lösung klug oder sinnvoll, denn sie war so facettenreich wie die verschiedenen Charakter der Hauptdarsteller und das heißt, manche Lösung war auch nicht perfekt, aber eben die einzig logische Konsequenz aus der Handlung.

Tom Finnek hat in diesem Roman ein brillantes Spiel zwischen Wahrheit und  Lüge aufgebaut, dass war spannender und unterhaltsamer als so mancher Psychothriller. Es hat richtig Spaß gemacht dem jungen Helden Geoffrey in seine Welt zu folgen und zusammen mit ihm nach der Wahrheit zu suchen. Zumal Geoffrey direkt am Anfang mal kurz versucht hat die politischen und auch religiösen Hintergründe der damaligen Zeit zu erklären, aber dann kapituliert hat, da sich auf dem Gebiet immer so schnell etwas ändert. Somit war klar, dass der Leser sich hier auf dem „bürgerlichen Pflaster der Geschichte Londons“ bewegen wird, was mir auch sehr recht war.

Der Autor beleuchte in diesem Buch sehr eindrucksvoll das Leben auf den Straßen, in den Schänken, auf dem Land und auch an den geheimen Orten, an denen die adeligen gerne mit Masken erschienen. Das harte Leben der Künstler und die Tricks der Gauner werden in der Handlung genauso thematisiert, wie auch die Tatsache, dass ein jeder gerne mal aus der Bibel zitiert, wenn er mit unangenehmen Wahrheiten konfrontiert wird. Die Schauplätze der Handlung und auch die sozialen Verhältnisse hat der Autor sehr wortgewandt und eindrucksvoll beschrieben. Sie wurden beim Lesen so lebendig, dass man die Gerüche förmlich in der Nase hatte und die Magenwände Beifall klatschten.

Man merkt das Tom Finnek akribisch genau recherchiert hat und im Glossar, am Ende des Buches, findet man Antworten zur Währung, alten Begriffen, Titeln oder Persönlichkeiten der damaligen Zeit. Auch ein Personenregister und eine kleine Karte sind in dem Buch eingebunden. Das habe ich beim Lesen als sehr hilfreich empfunden.

Dieses Buch war für mich in diesem Jahr ein echtes Highlight und ich kann es wirklich jedem historisch interessiertem Leser empfehlen, der sich gerne mal auf ein neues Lese-Abenteuer einlassen mag.

Note: 1+