Day, Sylvia: Versuchung

Band 1 Crossfire Serie

Originaltitel: Bared to you
Verlag:
Heyne
erschienen:
2013
Seiten:
416
Ausgabe:
Taschenbuch
ISBN:
3453545583
Übersetzung:
Eva Malsch & Nicole Hölsken

Klappentext:

Die Uniabsolventin Eva Tramell tritt ihren ersten Job in einer New Yorker Werbeagentur an. An ihrem ersten Arbeitstag stößt sie in der Lobby des imposanten Crossfire-Buildings mit Gideon Cross zusammen – dem Inhaber. Er ist mächtig, attraktiv und sehr dominant. Eva fühlt sich wie magisch von ihm angezogen, spürt aber instinktiv, dass sie von Gideon besser die Finger lassen sollte. Aber er will sie – ganz und gar und zu seinen Bedingungen. Eva kann nicht anders, als ihrem Verlangen nachzugeben. Sie lässt sich auf ein Spiel ein, das immer ernster wird, und entdeckt ihre dunkelsten Sehnsüchte und geheimsten Fantasien.

Rezension:

Nach dem Klappentext möchte man aufschreien und rufen… nein… bitte.. nicht noch mal „Shades of Grey“ mit neuen Namen und noch blöderen Erotikszenen und lächerlichem Blabla drumrum. Aber ich wollte es dann doch mal probieren, weil einige Rezensionen so übel nicht klangen. Tatsächlich bin ich vom ersten Band der Serie (ehemals Trilogie, aber nun kommt wohl doch noch ein vierter Band) positiv überrascht. Frau Day hat nämlich einigen ihrer Kolleginen etwas vorraus. Sie kann schreiben!

Natürlich ist „Versuchung“ in erster Linie ein Erotikroman und Sex bekommt man auch zuhauf geboten. Dagegen ist nichts einzuwenden. Ich bekomme eben das, was drauf steht, aber die Autorin lässt sich immer etwas neues einfallen und so sind die Erotikszenen tatsächlich sehr abwechslungsreich und heiß. Natürlich gibt es auch hier die ein oder andere Szene, wo die normalsterbliche Frau sich fragt, wann Protagonist und Protagonistin denn mal ihrem Broterwerb nachgehen oder den Kühlschrank füllen. Eigentlich bleibt doch neben dem Klamotten vom Leib reißen (wenn darauf überhaupt gewartet wird), kaum noch Zeit für andere Dinge des Lebens.

Aber wie gesagt, wenn ich einen Thriller lese, darf ich mich auch nicht beschweren, dass einer umgebracht wird. Neben jeder Menge Fleischbeschau gibt es jedoch durchaus noch eine Handlung und vor allen Dingen zumindest im ersten Band meist glaubwürdige Figuren. Die Autorin verzichtet auch auf das momentan so übliche kleine graue Mäuschen, dem vom reichen potenten Typen erstmal gezeigt wird, wo der Hammer hängt. Stattdessen sind sich Eva und Gideon ebenbürtig. Sie ist weder naiv, noch arm, noch unerfahren. Natürlich überstrahlt Gideon Liebesroman-typisch alles in Bezug auf Reichtum und Charme. Aber es ist nicht so offensichtlich und übertrieben, wie in anderen Romanen dieses Genres.

Etwas mühsam ist auch in „Versuchung“ die Vergangenheit des Liebespaares. Bei Sylvia Day haben nämlich gleiche beide ihr ganz spezielles Päckchen zu tragen, wobei diese Probleme natürlich lange Zeit sehr schwammig bleiben. Die Aufarbeitung von Evas Schicksal ist dann für mich auch der größte Kritikpunkt. Ich möchte hier nicht vorweggreifen, aber als sie Gideon offenbart, was ihr passiert ist, fällt den beiden nichts anderes ein als… genau… übereinander herzufallen. Jede misshandelte Frau wird in diesem Moment wohl das Buch an die Wand schleudern wollen. Überhaupt ist es doch höchst zweifelhaft, wie die Autorin mit dem Thema Vergewaltigung und Misshandlung umgeht. Da werden Taten verschleiert und klein geredet, um den Anschein von Normalität zu wahren.

Auch die überbordende Schönheit aller Beteiligten ist typisch und gerade deswegen leider langweilig. Sicher, in einem Erotikroman möchte man vielleicht nichts von Bierbäuchen und hängenden Brüsten lesen, aber muss es denn immer Mister Universe und das Playmate des Jahres sein? Wenn man sich zudem die Autorinnen hinter den momentanen Erotikbestsellern wie „Crossfire“ und „Shades of Grey“ mal anschaut, sind diese eher in Sachen Sahnetorte unterwegs und nicht wie Eva beim Kampfsport. Das soll natürlich nicht heißen, dass füllige Autorinnen nicht über schlanke Charaktere schreiben dürfen, aber bei der momentanen Erotikwelle würde ich doch erwarten, dass sich endlich einmal eine Autorin der Realität nähert. Von ach so gefährlichen bösen Buben und überirdisch schönen Damen haben wir doch eigentlich jetzt genug gelesen.

Die Nebenfiguren fallen im Vergleich zu Eva und Gideon doch ziemlich ab. Evas Kollegen sind warmherzige Quotenschwule, bei Gideon gibt es kaum Bezugspersonen, was aber wohl so auch beabsichtigt ist, um seine Persönlichkeit zu unterstreichen. Etwas mehr Mühe hat sich Sylvia Day hingegen bei Evas Mitbewohner und bestem Freund Cary gegeben. Er taugt zwar meiner Meinung nach nicht als Sympathiefigur, weil seine merkwürdige Persönlichkeit dazu führt, sich gegenüber jedem außer Eva wie ein Arschloch zu benehmen, aber seine komischen Macken und Allüren lassen ihn undurchschaubar wirken. Ich konnte ihn jedenfalls bis zum Schluss nicht wirklich einordnen.

Hier klingen nun einige Dinge sehr negativ und ich möchte diese Details auch nicht schönreden, aber irgendwas hatte der Roman trotzdem etwas, so dass ich ihn zügig und gerne gelesen habe. Sylvia Day pflegt einen schönen Schreibstil. Ihre Erotikszenen sind zwar teilweise sehr plastisch und durchaus auch in den Dialogen roh, aber das drumherum ist wirklich sehr schwungvoll und gut geschrieben. Der Roman wird aus der Perspektive von Eva geschildert, was ihn unmittelbarer erscheinen lässt. Allerdings will ich auch hier nicht verheimlichen, dass Evas Gedanken in Bezug auf Gideon manchmal auch ein wenig nervend und übertrieben sind. Insgesamt ist es jedoch mein deutlich nettester Ausflug in die momentane Erotikliteratur.

Mich würde abschließend übrigens mal interessieren, ob Evas Nachname Tramell eine Hommage an Sharon Stones Figur aus „Basic Instinct“ ist.

Note: 3+