Gabaldon, Diana: Outlander – Feuer und Stein

Band 1 Claire & Jamie Serie

Originaltitel: Outlander
Verlag:
Knaur
erschienen:
2015
Seiten:
1136
Ausgabe:
Klappenbroschur
ISBN:
3426518023
Übersetzung:
Barbara Schnell

Klappentext:

Schottland 1946: Die englische Krankenschwester Claire Randall ist in den zweiten Flitterwochen, als sie neugierig einen alten Steinkreis betritt  und darin auf einmal ohnmächtig wird. Als sie wieder zu sich kommt, befindet sie sich im Jahr 1743 – und ist von jetzt auf gleich eine Fremde, ein »Outlander«.

Rezension:

Dies ist nun mittlerweile meine dritte Rezension zu diesem Buch. Vor einigen Jahren stand hier eine begeisterte, aber doch eher kurze Bewertung, die in die Anfänge meiner Rezensions-Karriere zurückgeht und die dem Buch keinesweg gerecht wurde. So wurde sie von mir nach einem meiner zahlreichen Re-Reads im Jahre 2010 überarbeitet und heute zum nun wahrscheinlich letzten Male noch einmal, denn mit Dianas Verlagswechsel von Blanvalet zu Knaur, werden alle Romane noch einmal in neuer Ausstattung veröffentlicht und im Falle von Band 1-3 auch von Dianas Übersetzerin Barbara Schnell neu übersetzt. Diese Bände wurde damals von einem Übersetzerteam übersetzt und teilweise gekürzt. Ab Band 4 übernahm Barbara Schnell und mit der Neuübersetzung ist nun alles in einem Guss. Aber dazu später mehr.

Ich habe „Feuer und Stein“ nun unzählige Male gelesen und ich bin immer wieder fasziniert von Gabaldons Debütroman. Fast 20 Jahre ist es nun her, dass ich dieses Buch zum ersten Mal las. Seitdem ist viel passiert, mein Geschmack hat sich verändert, meine Ansprüche an einen guten Roman sind gestiegen und dennoch begeistert mich die Geschichte um Jamie und Claire noch heute wie am ersten Tag. Tatsächlich habe ich das Gefühl die Bücher heute noch besser würdigen zu können. Damals bin ich vor Spannung und Begeisterung wie ein Irrwisch durch die Bücher gefegt, aber beim wiederholten Lesen, liest man doch bewusster und nimmt die wunderbaren kleinen Feinheiten noch viel mehr auf.

Gabaldons große Stärke ist ihr warmherziger, farbenprächtiger und humorvoller Schreibstil, der vor Lebendigkeit nur so sprüht. Unbeholfene Sätze, unnötige Wiederholungen – all das wird man in einem Gabaldon Roman niemals finden. Tatsächlich stelle ich mir so eine richtige Geschichtenerzählerin vor – jemand, der von der ersten bis zur letzten Seite nur aufgrund seiner Gabe zu erzählen fesseln kann. Das Ganze wird verstärkt durch ihren unnachahmlichen Humor. Es gibt so viele Stellen in den Büchern, wo man wirklich laut lachen muss und dabei ist es niemals aufgesetzt. Man hat nie das Gefühl, aha, da hat jetzt jemand ein bißchen Humor eingebaut. Er ist da – wie im richtigen Leben auch manchmal in den umöglichsten Situationen.

Es ist aber letztlich die Mischung, die „Feuer und Stein“ so außergewöhnlich macht. Süffiger Schreibstil, perfekt recherchierter historischer Hintergrund, realistische Charaktere bis zur kleinsten Nebenfigur und natürlich Jamie und Claire. Es gibt Liebespaare in Romanen wie Sand am Meer. Einige bleiben in Erinnerung, andere nicht und dann gibt es da diese Jahrhundert-Liebespaare, die die Literatur über Jahrzehnte beeinflussen. Rhett Butler und Scarlett O’Hara kennt auch heute noch jeder Leser, der sich für diese Art von Literatur interessiert und für Jamie und Claire dürfte das in fünfzig Jahren wohl ähnlich gelten. Zumal die Serienverfilmung vom amerikanischen Sender Starz dem Bekanntheitsgrad einen neuen Schub gegeben hat. Für Kritiker ist „Outlander“ immer noch ein Graus. Lässt sich Gabaldons Saga doch in keine Schublade stecken. Ein bisschen Science-Fiction, historischer Roman, Liebesgeschichte und vieles mehr, verpackt Gabaldon zu einem perfekten Serienauftakt, der in den 90ern einen wahren Run auf schottische Liebesromane ausgelöst hat.

Jamie und Claire sind an sich interessante Charaktere. Die praktische Claire und der ungestüme etwas jungenhafte Jamie scheinen sehr unterschiedlich, aber zwischen den Beiden ist eine Anziehungskraft, die man selbst in Liebesromanen selten findet. Sie scheinen füreinander bestimmt. Das klingt jetzt alles furchtbar kitschig, doch Gabaldon schafft es diese Liebe glaubhaft zu schildern und vor allen Dingen nicht ohne Probleme. Die beiden streiten sich, machen schwere Zeiten durch und wachsen daran, auch wenn sie manchmal glauben daran zu scheitern. Wie das nun mal im wirklichen Leben auch ist. Nicht immer ist die Liebe rosarot.

Ein großer Faktor ist auch, dass die Charaktere sich in den Folgeromanen immer weiter entwickeln. Besonders an Jamie wird das deutlich, der bereits in „Die geliehene Zeit“ (Band 2) nicht mehr so viel von der Ungestümtheit des jungen Hochlandschotten inne hat und in „Ferne Ufer“ (Band 3) sicherlich teilweise zu einem ernsthaften Mann geworden ist.

Die Neuübersetzung hat den Roman für mich noch runder gemacht. Bis auf ein zwei kleine Szenen, wo ich die alte Übersetzung besser fand (was aber auch daran liegen könnte, dass es Lieblingsszenen sind, die ich einfach schon hunderte Mal gelesen habe und deren damalige Übersetzung sich einfach in mein Gedächtnis gebrannt hat), ist sie einfach stimmiger. Besonders in Bezug auf Claire, die nun viel selbstbewusster und auch kratzbürstiger erscheint.

Sicherlich wird „Feuer und Stein“ immer einen besonderen Platz in meinem Herzen haben. Auch wenn es mittlerweile viele andere Romane gibt, die ich ebenfalls liebe, ist es nun mal nicht nur ein Buch, das ich gelesen habe, sondern das mich auch dazu annimiert hat, ein Gabaldon-Bücherforum, ja auch diese Homepage zu gründen. Und das ist wahrscheinlich mehr als man von einem Roman erwarten kann! ;-)

Note: 1+

Gablé, Rebecca: Der Palast der Meere

Band 5 Waringham Saga

Verlag: Lübbe
erschienen:
2015
Seiten:
960
Ausgabe:
Hardcover
ISBN:
343103926X

Klappentext:

London 1560: Als Spionin der Krone fällt Eleanor of Waringham im Konflikt zwischen der protestantischen Königin Elizabeth I. und der katholischen Schottin Mary Stewart eine gefährliche Aufgabe zu. Ihre Nähe zur Königin schafft Neider, und als Eleanor sich in den geheimnisvollen König der Diebe verliebt, macht sie sich angreifbar. Unterdessen schleicht sich ihr fünfzehnjähriger Bruder Isaac in Plymouth als blinder Passagier auf ein Schiff. Nach seiner Entdeckung wird er als Sklave an spanische Pflanzer auf der Insel Teneriffa verkauft. Erst nach zwei Jahren kommt Isaac wieder frei ? unter der Bedingung, dass er in den Dienst des Freibeuters John Hawkins tritt. Zu spät merkt Isaac, dass Hawkins sich als Sklavenhändler betätigt ? und dass sein Weg noch lange nicht zurück nach England führt …

Rezension:

Lady Eleanor of Waringham lebt schon seit ihrer Kindheit bei Königin Elisabeth I. Sie ist mit ihr aufgewachsen und ihre Freundin geworden. Nun unterstützt sie die Königin, indem sie alles sieht und hört was dieser sonst entgehen würde. Eleanor ist das „Auge der Königin“. Gleichzeitig erlebt der Leser die Seite des Hofes und bekommt hautnah die politischen Einzelheiten der Epoche mit. Aber auch Intrigen gegen die Königin werden aufgedeckt und dann hat El auch noch ihr eigenes Leben, welches sie vom Hof wieder fortführt direkt in die Unterwelt Londons, denn ihr Geliebter ist ein Meisterdieb.

Der zweite Handlungsstrang entführt den Leser gemeinsam mit Isaac of Waringham quer über die Weltmeere und zurück. Isaac ist der Bruder von El und mindestens genauso verwegen. Er macht als Freibeuter Kariere und sorgt dafür, dass man sich ein bisschen wie in einem Piratenfilm beim Lesen dieses Buches fühlt. Isaac ist verwegen und mutig und dabei stehst darauf bedacht auch den Schwächeren zu helfen. Er selbst gerät von einem Abenteuer ins nächste und zwischendurch auch mal in Schwierigkeiten, aus denen er aber nach Piratenmanier wieder herausfinden kann.

Die fiktiven Charaktere der Familie Waringham sind hier wunderbar eingearbeitet in historische Fakten und umgeben von historischen Persönlichkeiten. Man könnte direkt vergessen, dass es sich hier um einen Roman handelt und nicht um eine historische Abhandlung. Die Handlung hat die Autorin jedenfalls glaubhaft geschildert. Es macht einfach Spaß mit El und Isaac ins 16. Jahrhundert einzutauchen und ihnen dabei zuzusehen wie sie ihr Leben und ihre Herausforderungen meistern. Das Leben am Hofe von Elisabeth I. wirkt lebendig und echt. Aber genauso wie die Abenteuer der fiktiven Charaktere geschildert werden, werden auch historisch belegte Charaktere mit eingebunden. Da ist zum Beispiel Francis Drake, der ja wohl jedem ein Begriff ist, die Autorin hat hier einmal ein ganz anderes Bild des Freibeuters gezeichnet. Die Wege von ihm und Isaac kreuzen sich immer wieder, ihre Karrieren sind ähnlich gestaltet. Es macht einfach Spaß zusehen wie die Zwei immer mal wieder aufeinandertreffen und Drake dabei nicht immer, als der strahlende Held hervorgeht, wie man ihn sonst aus alten Filmen kennt. Auch die Beziehung zu Mary Stewart, der Königin von Schottland ist wunderbar wiedergegeben. Der Autorin ist es gelungen, ein glaubhaftes Bildnis dieser beiden so wichtigen Frauen dieser Epoche zu gestalten.

„Der Palast Der Meere“ ist bereits der fünfte Band um die fiktive Familie Waringham, aber man könnte ihn auch problemlos einzeln lesen, da jedes Buch für sich von einer neuen Generation erzählt. Allerdings gibt es immer wieder Querverweise über die Familie oder über andere Protagonisten, die der Familie nahestehen. Es macht also eindeutig mehr Spaß hier zu lesen, wenn man die Vorgänger bereits kennt. Gerade bei „Der Palast der Meere“ handelt es sich um die Kinder von Nick of Waringham aus dem Vorgänger, „Der Dunkle Thron“ und damit schließt diese Geschichte direkt an den Vorgänger an. Dies ist auch gut so, da die politischen Ereignisse so weitererzählt werden. Zwei unterschiedliche Handlungsstränge sorgen zudem für Spannung. Während Eleanor am Hof lebt, fährt Isaac zur See, nur hin und wieder treffen sich die Beiden auf der Burg deren von Waringham. Tauschen ihre Erlebnisse aus und lassen die Leser teilhaben an ihrem Leben. Mir haben beide Handlungsstränge gut gefallen, egal ob mit El am Hof oder mit Isaac zur See, beides war aufregend. Ein bisschen zum Durchatmen dann die Szenen im Kreise der Familie, aber genauso wunderbar zu lesen. Auch wenn es hier eine Vielzahl von Protagonisten gibt und die Handlungsschauplätze immer wieder wechseln hat mir das Lesen hier sehr viel Spaß gemacht und die knapp 1000 Seiten waren mir persönlich viel zu knapp.

Wie immer ist diese Ausgabe mit allem ausgestattet, was das Leserherz begehrt. So ist am Anfang ein Personenregister vorhanden, welches historische Protagonisten kennzeichnet und von den fiktiven Charakteren trennt. Kleine Zeichnungen sorgen für die richtige Stimmung beim Lesen und ein ausführliches Nachwort am Ende klärt Fiktion und Wahrheit. „Der Palast Der Meere“ ist ein gelungenes Buch, welches alles beinhaltet was ich von einem guten historischen Roman erwarte. Er sorgt für Lesespannung und Lesegenuss und sollte in keinem Bücherregal fehlen.

Note: 1

Windgassen, Antje: Die Hexe von Hamburg

Verlag: Gmeiner
erschienen:
2015
Seiten:
401
Ausgabe:
Taschenbuch
ISBN:
3839217342

Klappentext:

Hamburg 1622. Anneke Claen, Tochter einer wohlhabenden Hamburger Kaufmannsfamilie, wird der Hexerei bezichtigt. Mithilfe eines teuflischen Amuletts soll sie ein Unwetter herbeigerufen und Menschen krank gezaubert haben. Einige mysteriöse Todesfälle in ihrem Umfeld erhärten den Verdacht. Sie wird eingekerkert und soll unter Folter alle Missetaten gestehen. Wird ihr die Flucht ins Holländische gelingen? Dort könnte sie Ihre Unschuld mittels der kaiserlichen Hexenwaage beweisen. Das ergreifende Schicksal der Hamburger Kaufmannstochter Anneke Claen, nach einer alten Handschrift erzählt. Eine wahre Geschichte, die unter die Haut geht.

Rezension:

Hamburg im Jahre 1622, der 30jährige Krieg tobt vor den Toren Hamburgs. Noch sind die Bürger nicht betroffen, als eine wohlhabende Kaufmannsfamilie in eine Intrige verwickelt wird. Die Tochter Anneke Claen wird der Hexerei beschuldigt. Ein Amulett soll sie besitzen, mit welchem sie die Menschen verhext und Wetter macht. Dann sterben auf mysteriöse Weise auch noch einige Bürger in ihrem näheren Umfeld. Anneke wird eingesperrt und soll unter der Folter gestehen. Einzig die Hexenwaage in Holland könnte sie retten, aber kann sie es schaffen zu fliehen und ihre Unschuld beweisen?

Die Autorin Antje Windgassen erzählt hier die Geschichte einer jungen Frau, die der Hexerei angeklagt wird. Eindrucksvoll schildert sie von dem Drama, welches sich abspielt und vor allem davon, wie schnell ein leise gesprochenes Gerücht die Runde macht und dann sehr viel Schaden anrichtet. Für Anneke Claen beginnt ein Kampf, den sie eigentlich nicht gewinnen kann. Nur mithilfe ihrer Familie behält sie den Mut und verzweifelt nicht. Die Autorin zeigt aber auch wie schwer es für die betroffenen Familien war, bei so einer Anklage noch zu ihren Angehörigen zu halten. Einige sind daran zerbrochen und andere haben den Kampf aufgenommen und sind daran gewachsen. Es macht Spaß hier von Anneke zu lesen, man fiebert mit ihr mit und hofft und bangt, dass alles gut wird. Die Geschichte liest sich wie ein Krimi, auch wenn man von Anfang an weiß, wer für alles verantwortlich ist. Das Ende ist jedoch nicht vorhersehbar und gelungen.

Gleichzeitig schildert Windgassen aber auch das Leben in Hamburg und davon wie der Krieg drohend über der Stadt hängt. Davon wie die Bürger sich schützen wollen und ein bisschen wie sie lebten und arbeiteten. Ihre fiktive Geschichte um Anneke hat sie wunderbar eingewoben in historische Tatsachen rund um Hamburg. Ein Epilog beendet das Buch und klärt gleichzeitig Fiktion und Wahrheit.

In den Innenseiten des Buchcovers befindet sich ein kleiner Stadtplan Hamburgs, sodass der Leser auf den Spuren von Anneke wandern kann. Zudem gibt es am Ende ein Glossar der fremden Begriffe, dieses Glossar ist auch gleichzeitig ein Nachwort und erklärt ein paar historische Fakten rund um Hamburg. Alles in allem ein gelungener historischer Roman über eine junge Frau, die nur ihr Leben retten will.

Note: 2

Barenbrügge, Evelyn: Tayfun

Verlag: bookshouse
erschienen:
2015
Seiten:
484
Ausgabe:
Taschenbuch
ISBN:
9963527337

Klappentext:

Der junge Leandro Lovare wächst vor dem Zugriff der Obrigkeit verborgen unter dem Schutz seiner Urgroßmutter in einer Höhle im Bihorgebirge auf. Sie pflanzt die Traditionen und den Freiheitsgedanken tief in sein Zigeunerherz. Nach ihrem Tod begibt er sich auf die Suche nach seiner Familie, kämpft mit aufständischen Rebellen Seite an Seite in Siebenbürgen. Die Hinrichtung seines väterlichen Freundes und Rädelsführers Horea lässt ihn verstummen. Soldaten Maria Theresias ergreifen ihn und nennen ihn aufgrund seiner Schnelligkeit Tayfun. Seine Freiheit ist ihm wichtiger als ein behütetes Leben in einem Waisenhaus, er flieht und gerät in Wien in die Fänge des ehemaligen Soldaten Tom Held, der Straßenkinder zu Taschendieben ausbildet. Tayfun wird zu einem wichtigen Vertrauten des Königs der Diebe und verliebt sich unsterblich in das Zigeunermädchen Nura, eine Verbindung, die streng verboten ist. Eines Tages erschüttert ein Mord die Kaiserstadt.

Rezension:

Tayfun erzählt die Geschichte der Zigeuner im 18. Jahrhundert in Ungarn, unter der Regierung von Maria Theresia. Vom Leben dieser Menschen, von ihren Sitten und Gebräuchen und von ihrem Schicksal. Es beginnt im Jahre 1773, der Leser lernt zunächst die Eltern von Leandro Lovare kennen, ist bei seiner Geburt dabei und muss miterleben, wie ein neues Gesetz es den Zigeunern verbietet, ihre Kinder aufwachsen zu sehen. Der Vater schafft es, seinen Jungen im Wald, gemeinsam mit der Urgroßmutter zu verstecken. Leandro kann so unbeschwert aufwachsen, zwar ohne Familie dafür aber frei.

In einem zweiten Handlungsstrang erzählt Barenbrügge dann aus dem Leben von Tom, einem armen Bauernjungen. Tom ist zwölf Jahre alt, als er beschließt, die Heimat zu verlassen und in der Armee sein Glück zu machen. Bald schafft er es aufgenommen zu werden und bekommt eine Ausbildung. Durch ihn lernt der Leser die Seite der Armee kennen. Tom sein Schicksal ist nicht weniger spannend wie das von Leandro. Lange Zeit laufen die beiden Handlungsstränge nebeneinander her und erst im letzten Drittel des Buches finden sie kurz zueinander, verbinden sich und trennen sich dann wieder. Aber bei Genauerem lesen, merkt man schnell, dass sie vieles gemeinsam haben und ihre Schicksale so unterschiedlich sie auch sind, sich doch ähneln.

In die fiktive Geschichte von Leandro und Tom hat die Autorin wunderbar die historischen Begebenheiten der Zeit mit einfließen lassen. Sie hat Gesetzestexte mit aufgenommen und auch von dem Horeaaufstand, der in dieser Zeit stattfand, erzählt. Die Verbindung von Fiktion und Wahrheit ist ihr gut gelungen, in einem kleinen Nachwort erläutert sie dies auch noch kurz. Es macht Spaß die Geschichte zu lesen. Der leichte und flüssige Erzählstil trägt zu dem dazu bei, dass man schnell mit den Geschichten der Jungen vertraut wird. Einige Begriffe wie zum Beispiel Baba, als Anrede für die Urgroßmutter, mögen auf die Leser fremd wirken, tragen aber dazu bei, dass die Geschichte authentisch wirkt.

Ganz zu Beginn gibt es ein schönes Gedicht, welches extra für dieses Buch geschrieben wurde und sehr schön beschreibt, wie sich die Menschen damals wohl gefühlt haben mussten. Mir hat gerade dieses Gedicht sehr gut gefallen. Dann gibt es das Gesetz zu lesen in welchem darüber informiert wird, wie zukünftig mit Zigeuner zu verfahren sei. Dies war informativ und zugleich auch erschütternd. Zigeuner waren danach Menschen, die nichts wert waren und mit denen man im Grunde machen konnte, was man wollte. Mit der Geschichte von Leandro hat die Autorin versucht, diesen Schicksalen ein Gesicht zu geben. Ich finde es ist ihr gelungen.

Aber nicht nur schwere Zeiten machen Tom und Leandro durch, auch finden sie Menschen, die wie sie sind und sie so akzeptieren, wie sie sind. So ist dieser Roman auch ein wenig eine Liebesgeschichte. Der Leser darf dabei sein, wie sich Tom verändert und gerade die Liebe ihn verändert und verantwortungsbewusster macht. Auch Leandro findet eine Frau, mit der er seine Traditionen weiterleben kann. Ihrer beider Schicksal berührt einfach. Es macht Spaß von ihnen zu lesen und am Ende war ich doch ein wenig traurig sie wieder gehen lassen zu müssen, nicht aber ohne die Hoffnung, dass es vielleicht eine Fortsetzung geben könnte. Raum genug für die eigene Fantasie oder eine Fortsetzung hat die Autorin in jedem Fall gelassen.

Note: 2

Durst-Benning, Petra: Bella Clara

Band 3 Jahrhundertwind Trilogie

Verlag: List
erschienen:
2015
Seiten:
560
Ausgabe:
Hardcover
ISBN:
3471350594

Klappentext:

1906: Clara Gropius kann die Herrschsucht ihres Mannes nicht mehr ertragen und lässt sich scheiden. Sie verliert alles, vor allem das Sorgerecht für ihre Kinder. Mittellos versucht sie, an ihre Ausbildung in der Apotheke ihrer Eltern anzuknüpfen. Doch als geschiedene Frau ist sie ein Skandal. Niemand will sie einstellen, sie wird wie eine Ausgestoßene behandelt. Nur ihre Freundinnen Josephine und Isabelle stehen ihr bei. Und tapfer hält Clara an ihren Träumen fest, sie zieht an den Bodensee und baut sich dort ein neues Leben auf. Mit einer selbstgemachten Creme beginnt es, ihre Schönheitsrezepte finden großen Anklang, schließlich revolutioniert Claras Naturkosmetik die Gewohnheiten ihrer Kundinnen. Aber zu keinem Zeitpunkt trösten Erfolg, Ruhm und die Aufmerksamkeit der Männer sie über den großen Verlust in ihrem Leben hinweg: Clara sehnt sich nach ihren Kindern.

Rezension:

1906, Bella Clara ist der dritte Band der Jahrhundertwindtrilogie und diesmal steht Clara im Mittelpunkt. Sie kann endlich aus ihrer ungeliebten Ehe mit Gerhard Gropius ausbrechen. Leider verliert sie mit ihrer Scheidung auch die Kinder, sie werden ihrem Mann zugesprochen. Das Erbe ihrer Eltern ist ebenfalls verloren und so steht sie zunächst mittellos da. Doch dann hat die Freundin Josefine die Idee, Clara könnte an den Bodensee zu einer weiteren Freundin ziehen. (Lilo hat ein gut gehendes Hotel und kann Clara helfen.) Für Clara beginnt ein ganz neues Leben.

Der Erzählstil von Petra Durst-Benning ist leicht und flüssig zu lesen und so fliegen die Seiten nur so dahin. In diesem dritten Teil ist nun Clara die Hauptfigur, sie muss jetzt ihr Leben selbst in die Hand nehmen und stellt sich den Herausforderungen. Auch wenn dies hier der dritte Band ist, man könnte die Bücher auch durchaus einzeln lesen, denn jede Erfolgsgeschichte ist in sich abgeschlossen. Die Autorin hat ihren Charakter der Clara hier weiter ausgearbeitet und sie zu einer Frau werden lassen, die ihr Leben meistern kann. Auch wenn die Schicksale dieser Frauen Anfang des 20. Jahrhunderts schon etwas ungewöhnlich sind, so sind sie doch wunderbar zu lesen. Gleichzeitig erfährt der Leser so einiges über das Recht der Frau zu dieser Zeit. Eine Scheidung war eben damals nicht alltäglich und Clara bekommt deutlich zu spüren, was die Menschen in ihrer Umgebung davon hielten. Der Prozess zu beginn liest sich wie ein Strafverfahren eines schweren Verbrechens.

Das Hauptaugenmerk von Clara liegt auf der Schönheitspflege der Frauen. Durch sie erfährt der Leser so einiges zu diesem Thema und vor allem darüber, wie schwer es in dieser Zeit gerade für Frauen war, vor allem wenn sie allein und unverheiratet waren. Die Autorin hat mit ihren Protagonisten glaubwürdige Charaktere geschaffen, die von dem Schicksal der Frauen erzählen. Es fällt leicht, mit Clara zu gehen. Auch wenn es einiges gab, was ihr vielleicht ein wenig zu leicht von der Hand ging, für Clara gab es immer eine Lösung und auch Hilfe. Ihre Freundinnen standen ihr zur Seite und waren für sie da. Die Gefühlswelt Claras ist deutlich spürbar, ihre Not, weil sie die Kinder nicht mehr sehen kann, ihre Ängste, weil ihr Geschäftsvorhaben vielleicht nicht klappen könnte, aber vor allem auch ihr starker Wille der dafür sorgt, dass sie vorwärtskommt. Alles zusammen macht die Geschichte zu einem Lesevergnügen. Nicht zuletzt aber auch die Freundschaft der Frauen macht diese Bücher so liebenswert. Diese Freundschaft zeigt, was Freundschaft alles schaffen kann und wie wichtig sie sind, damals wie heute.

Ein kleines Nachwort klärt noch kurz wo die Idee zu diesem Buch herstammt. Es zeigt auch auf, dass es sehr wohl Frauen gab, die so handelten wie Clara in ihrer Geschichte oder es zumindest getan haben könnten. Es macht einfach Spaß, die Geschichten der Jahrhundertwindtrilogie zu lesen.

Note: 2