Originaltitel: Ishmael’s Oranges
Verlag: Blanvalet
erschienen: 2015
Seiten: 448
Ausgabe: Hardcover
ISBN: 3789132187
Übersetzung: Karin Dufner
Klappentext:
Jaffa, April 1948. Der siebenjährige Salim Al-Ismaeli, Sohn eines palästinensischen Orangenzüchters, freut sich darauf, die ersten Früchte des Orangenbaums zu ernten, der zu seiner Geburt gepflanzt wurde. Doch der Krieg bricht aus und treibt die ganze Familie in die Flucht. Von nun an hat Salim nur noch einen Traum: Eines Tages zu seinem Baum zurückzukehren und im Land seiner Väter zu leben.
Zur selben Zeit wächst Judith als Tochter von Holocaust-Überlebenden in England auf – und sehnt sich danach, irgendwann ein normales und glückliches Leben führen zu dürfen. Als Salim und Judith sich im London der Sechzigerjahre begegnen und ineinander verlieben, nimmt das Schicksal seinen Lauf und stellt ihre Liebe auf eine harte Probe …
Rezension:
Möchte man bei diesem stimmungsvollen Cover nicht direkt in den Flieger steigen, um den nächsten Garten voller Orangenbäume zu besuchen? Doch lasst Euch von dem sonnigen gelb-orange nicht täuschen, denn hinter diesem hübsch gestalteten Buchdeckel steckt eine aufwühlende Geschichte.
Das Buch liest sich nicht im Vorbeigehen, da es jüdische und arabische Ausdrücke enhält (dazu gibt es hinten im Buch ein Glossar) und sich einer durchaus blumigen Sprache bedient. Wenn Hajaj mit beeindruckenden Metaphern und Bildern arbeitet, fällt es manchmal wirklich schwer durch das Buch zu jagen, weil man sich in der Sprache verlieren und die fremde Welt aufsaugen will. Auf der anderen Seite ist die Handlung so packend, dass man sich meistens dann doch zu einem lapidaren „schöner Satz, ich komm später noch mal vorbei und würdige dich ausgiebig“ genötigt sieht.
Das zwischen einem Palästinenser und einer Jüdin keine leichte Liebe möglich ist, ist aufgrund der historischen Gegebenenheiten eigentlich kaum erwähnenswert. Dennoch habe ich in einigen Rezensionen gelesen, dass es Lesern zu problembeladen und schwierig wirkte, was mich ehrlich gesagt zu einem hilflosen Schulterzucken animiert. Haben wir mittlerweile so wenig Empathie, dass wir uns nicht mehr in die Probleme, Wünsche und Hoffnungen anderer Menschen hineinversetzen können? Sei deren Kultur uns noch so fremd?
Mich hat Salims und Judiths Geschichte sehr berührt und sie zeigt auch, dass es sich immer lohnt für die Liebe zu kämpfen, mögen die Umstände auch noch so widrig sein. Dabei geht die Autorin zwar durchaus auf den bis heute schwelenden Nahost-Konflikt ein, überfrachtet ihren Roman jedoch nicht mit Politik und Geschichte. Dem ein oder anderen werden deswegen vielleicht ein paar Eklärungen fehlen. Jeder hat schließlich einen anderen Kenntnisstand über den nahen Osten. Wer sich aufgrund des Romans also besser informieren möchte, muss selbst tätig werden. Eventuell könnte man hier das Fehlen einer Karte und eines geschichtlichen Abrisses monieren, wobei letzteres wohl ohnehin zu knapp wäre, um ausreichend informieren zu können.
Trotzdem ist der Konflikt auch ohne weiteres Wissen spürbar, weil es die Autorin versteht sie durch die Verschiedenartigkeit ihrer Protagonisten erlebbar zu machen. Gekonnt zeigt sie Salims Zerrissenheit, dessen Heimatlosigkeit sein Wesen für immer verändert. Gerade heutzutage sollten mehr Menschen lesen, wie sich jemand fühlt, der in ein fremdes Land kommt und dort nicht geschätzt wird. Wenn man einem Mann den Stolz nimmt und dies ein Schatten über sein ganzes Leben und seine ganze Familie wirft.
Man muss sich auf diesen Roman einlassen, auf fremde Kulturen, auf die farbenfrohe bildgewaltige Sprache. Man muss sein Herz öffnen für eine berührende Geschichte voller Tragödien, aber auch voller Wärme und Liebe. Wenn man das tut, dann ist „Ismaels Orangen“ einfach wundervoll!
Note: 2+