Williams, Niall: Die Geschichte des Regens

Originaltitel: History of the rain
Verlag:
DVA
erschienen:
2015
Seiten:
416
Ausgabe:
Hardcover
ISBN:
3421046875
Übersetzung:
Tanja Handels

Klappentext:

Die neunzehnjährige Ruth leidet an Leukämie und darf ihr Bett nicht verlassen. So liegt sie in ihrem Zimmer hoch über dem Fluss Shannon, während der irische Regen unablässig auf das Dach prasselt, und liest sich durch die dreitausendneunhundertfünfundachtzig Bücher, die ihr Vater Virgil Swain ihr hinterlassen hat. Inspiriert von der Lektüre und ihrer eigenen überbordenden Fantasie lässt sie vor den Augen des Lesers ihre Ahnen aufmarschieren: Urgroßvater Absalom Swain, den Reverend, Großvater Abraham, der beim Stabhochsprung das Fliegen lernte, und schließlich ihre Eltern Virgil und Mary, die sich vornahmen, die unfruchtbarsten vierzehn Morgen Erde, die Westirland zu bieten hat, urbar zu machen.

Rezension:

Mit seinem neuesten Roman „Die Geschichte des Regens“ stand Niall Williams 2014 auf der Longlist des Booker Prize. Im Gegensatz zu vielen anderen Literaturpreisen, verfolge ich Long- und Shortlist des Bookers immer sehr genau und ich habe schon einige Autoren ausprobiert und schätzen gelernt. Aktuell lese ich die jüngste Preisträgerin aller Zeiten, die letztes Jahr gewann (Eleanor Catton: Die Gestirne).

Obwohl schon einige andere Bücher von Niall Williams ins Deutsche übersetzt worden sind, war dies mein erster Roman von ihm und ich gestehe nach den ersten Seiten war ich erstmal überrumpelt. Der Autor hat eine extrem lebendige Art zu schreiben. Manchmal kommt es einem so vor, als würde man mit seinen Worten einen Wasserfall hinunter stürzen, so kraftvoll, bildreich und quirlig wirkt alles. Dies macht sich auch im gesamten Aufbau des Romans bemerkbar. Es gibt Sprünge und Ruth redet gefühlt manchmal ohne Punkt und Komma. Es dauert also ein paar Seiten, bis man sich an den Stil gewöhnt hat und nicht versucht krampfhaft jedem Gedankengang zu folgen. Vielmehr muss man sich dem Rhythmus der Geschichte anpassen und sich einfach mitreißen lassen.

blauDas Buch benötigt dennoch sicherlich ein hohes Maß an Aufmerksamkeit, da die Geschichte vor Anekdoten in Bezug auf die Literatur nur so strotzt. Für jeden bibliophilen Menschen ist der Roman ein wahres Schlaraffenland. Wie der Autor andere Romane mit Ruths Familiengeschichte verknüpft und dabei immer wieder zwischen verschiedenen Zeiten springt, ist anstrengend, aber auch zutiefst faszinierend, voller Leben und ein großer Spaß!

Ruth selbst ist aufgrund ihrer Krankheit, die sie abgeschottet von der Außenwelt aufwachsen lässt, eine altkluge junge Dame, deren Betrachtungen viel Humor und auch Weisheit enthalten. Für sie ist Literatur so etwas wie ein Rettungsanker, der ihr hilft alles zu überstehen. Tatsächlich geht es aber in diesem Roman viel mehr um Leben, als um Tod und Krankheit.

Ein gewisses irisches Flair ist übrigens ebenfalls immer spürbar. Sei es der Fluss Shannon, der behäbig durch die Handlung fließt (Ruth Elternhaus liegt direkt am Ufer), oder die Art wie alte Geschichten erzählt werden. Manchmal hat man das Gefühl, man sitzt irgendwo bei einem Tee in einem alten Haus, während ein begnadeter Erzähler alte Sagen zum besten gibt, während draußen der Regen ans Fenster trommelt.

Ein großer Erzähler ist Niall Williams selbst. Seine lebendige, fließende Sprache und die vielen skurrilen Figuren, machen diesen Roman zu einem Fest für die Sinne. Neben Ruth, habe ich besonders ihren Vater Virgil ins Herz geschlossen. Von Beruf eigentlich Bauer, liegt sein wahres Glück in der Literatur, was zu einigen wunderbar witzigen Szenen führt. Oder habt ihr schon mal einer Kuh englische Dichter vorgelesen?

Erwartet keine lineare Erzählung, die Euch von A nach B und dann nach C führt. Aber wer sich auf eine bewegende, liebevolle und sprachgewaltige Geschichte einlässt, die hin und her springt wie kleine Wasserstrudel, der wird seine helle Freude daran haben.

Note: 1

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