Originaltitel: I saw a man
Verlag: DVA
erschienen: 2016
Seiten: 304
Ausgabe: Hardcover
ISBN: 3421046697
Übersetzung: Thomas Mohr
Klappentext:
Nach dem tragischen Tod seiner Frau Caroline, die als Journalistin bei einem Auslandsdreh in Afghanistan ums Leben gekommen ist, erträgt Michael es nicht länger im gemeinsamen Heim in Wales. In dem Versuch, ein neues Leben zu beginnen, zieht er nach London, wo er auf die Nelsons trifft: Josh, Samantha und ihre zwei Töchter wohnen im Haus nebenan, und aus einer Zufallsbekanntschaft wird schnell – allzu schnell? – eine intensive Freundschaft. Michael geht bei den Nelsons wie selbstverständlich ein und aus, bis er eines Samstagnachmittags ihre Hintertür halb offen stehend vorfindet. In dem Gefühl, dass etwas nicht stimmt, betritt er das augenscheinlich leere Haus … und setzt damit eine Folge von Ereignissen in Gang, die ihrer aller Leben schlagartig und auf immer verändern wird.
Rezension:
Ich fühle mich zwar so langsam wie eine Schallplatte mit einem gewaltigen Sprung, aber ich muss es trotzdem noch einmal wiederholen. DVA macht einfach wunderbare Bücher. Nach „Die Geschichte des Regens“ von Niall Williams und „Wenn’s brennt“ von Stephan Reich ist dies schon mein drittes Highlight dieses Jahr und ich würde mir wirklich wünschen, dass dieser literarische Verlag inmitten der großen Randomhouse Verlagsgruppe mehr Aufmerksamkeit bekommen würde.
„I saw a man“ funktioniert auf mehreren Ebenen. Der Roman ist Thriller und Drama gleichermaßen. Dabei muss man jedoch genau „hinhören“, denn das Buch ist voller leiser Zwischentöne.
Michael kämpft mit dem tragischen Tod seiner Frau und hat sich vollkommen zurückgezogen. Während er das leere Haus seiner Nachbarn und Freunde betritt und überlegt, was dort geschehen ist, wird in Rückblenden Michaels Vergangenheit aufgearbeitet. Der Leser erfährt so hautnah vom Verlust seiner Ehefrau, einer furchtlosen Reporterin, die so ganz anders war als er.
Während man immer tiefer in Michaels Persönlichkeit eindringt, fragt man sich trotzdem immer mehr, was eigentlich im Haus der Nelsons passiert ist. Dies treibt die Spannung bis zur Mitte des Buches in unermessliche Höhen. Hat Michael etwas mit dem Verschwinden zu tun? Gab es ein Verbrechen? All dies sind Fragen, die einem schier unter den Nägeln brennen, aber dennoch ist Michaels Schicksal so einfühlsam geschildert, dass auch dieser Part keineswegs nur Mittel zum Zweck ist, um die Spannung so lange wie möglich hinauszuzögern.
Letztlich sind wohl „Wahrheit“ und „Schuld“ die Themen dieses stilistisch meisterhaften Romans. Wie einzelne Momente ein ganzes Leben verändern und Ereignisse in Gang setzen, ist brilliant komponiert. Auch aktuelle Probleme wie der Afghanistan Krieg, die Poltik der USA, etc. werden mit der Handlung verknüpft und machen ihn so glaubhaft und aktuell.
Am Ende laufen alle Fäden zusammen und machen diesen stimmungsvollen und bildgewaltigen Roman zu etwas Besonderem. Obwohl ich Michael als Protagonist schwierig finde und vielleicht nicht unbedingt sympathisch, hat mich sein Schicksal doch berührt und bis zum Schluss nicht losgelassen.
Note: 2+