Sankovitch, Nina: Tolstoi und der lila Sessel

Originaltitel: Tolstoy and the purple chair
Verlag:
Graf
erschienen:
2012
Seiten:
288
Ausgabe:
Hardcover
ISBN:
3862200272
Übersetzung:
Anke Caroline Burger/Susanne Höbel

Klappentext:

Mehr als 2,5 cm dick darf es nicht sein. Aber das ist auch  das einzige Ausschlusskriterium. Ob Krimi, Kochbuch, Klassiker– oder der aktuelle Topseller: Nina Sankovitch, Tochter polnischer US-Einwanderer, ist mit Büchern aufgewachsen. Und entdeckt nun, nach dem Tod ihrer geliebten Schwester, die Literatur ein zweites Mal für sich: als Trost- und Kraftspenderin. Zwischen Wäschebergen, Kindergeschrei und Supermarkt nimmt Nina sich Auszeiten – und entlockt jedem Buch ein anderes Geheimnis. Die Eleganz des Igels, Twilight oder Englische Liebschaften, Toni Morrison, Julian Barnes oder Leo Tolstoi – Lesen bedeutet pures Lebensglück: und einmal am Tag den Moment, bei dem man ganz bei sich ist.

Rezension:

Auf dieses Buch habe ich mich seit dem Sichten der Verlagsvorschau gefreut, aber dennoch war ich nicht darauf vorbereitet, dass es mich so mitreißen würde.

In einem leichten, aber sehr pointierten und warmherzigen Stil, beschreibt Nina Sankovich ihren Kummer und ihre Trauer und wie die Literatur ihr durch die bis dato schwierigste Phase ihres Lebens hindurch geholfen hat. Dabei springt sie von alltäglichen Betrachtungen, Erinnerungen an ihre Kindheit, Gedanken über ihre Familie und besonders ihre Schwester und deren Krankheit, um sie mit dem jeweils gelesenenen Buch zu verknüpfen. Das gelingt ihr so mühelos, dass man das Gefühl hat, es würde wirklich alles irgendwie zusammenhängen.

Ich habe zudem eine imense Hochachtung vor Ninas Leistung jeden Tag ein Buch zu lesen. Nach dem Lesen ihres Buches habe ich es selbst versucht, indem ich mir vornahm jeden Tag 100 Seiten zu lesen und selbst daran bin ich katastrophal gescheitert. Gut, vielleicht hat Nina keine Vollzeitstelle, aber sie hat mehrere Kinder, die ihre volle Aufmerksamkeit brauchen und einen chaotischen Haushalt zu führen. Deswegen gebürt wohl auch der Familie ein Dank, weil sie Nina unterstützt und das Experiment mitgemacht hat.

Wie ich gelesen habe, schreibt Nina momentan an einem Buch über Briefe, welches ich mir ungesehen kaufen werde (wenn es denn hoffentlich ebenfalls übersetzt wird), aber ich habe die Hoffnung, dass sie es tatsächlich eines Tages wagen und einen Roman schreiben wird, denn sie ist eine exzellente Schriftstellerin.

Obwohl „Tolstoi und der lila Sessel“ ein sehr persönliches Buch ist, ist es in vielen Dingen doch allgemeingültig. Viele Dinge, die Nina im Laufe des Buches für sich herausfindet, kann auch anderen helfen. Es ist nie zu spät, etwas über das Leben zu lernen und Erfahrungen und Schicksalsschläge neu zu bewerten und zu verarbeiten.

Beeindruckend ist aber vor allen Dingen, die Erkenntnis wieviel Einfluss die Literatur auf uns hat, wenn wir es zulassen und vor allen Dingen gelesenes nicht wie Fast Food einfach abfrühstücken. Das mag paradox  klingen, weil gerade Nina jeden Tag ein Buch liest und eigentlich gar nicht die Zeit hat, sich über das Gelesene extrem Gedanken zu machen, aber anscheinend hat sie die Gabe, die für sie wichtigen Dinge aus einem Buch herauszufiltern.

Ebenfalls bewundernswert ist, mit wieviel Lebensfreude und Herzlichkeit sich die Autorin dem Tod ihrer Schwester stellt. Natürlich bedauert sie den Tod und sie zweifelt auch an der Ungerechtigkeit des Lebens, aber in ihr siegt doch immer wieder die Neugier auf neue Autoren, neue Bücher, neue Inspiration und neue Betrachtungsweisen. Vielleicht sollte man jedem Trauernden „Tolstoi und der lila Sessel“ in die Hände drücken, denn hier gibt es keinen falschen Pathos und keine klugen Sprüche. Auch verzichtet sie darauf ihre Familie und besonders ihre Schwester zu glorifizieren, wie man das durchaus bei Verstorbenen gerne mal tut. Nina zeigt sie, wie sie wirklich war, mit all ihren Stärken und Schwächen, um so ein reales Bild von ihr und auch von sich selbst zu zeichnen.

Empfehlenswert ist auch Ninas Leseliste am Ende des Buches. Im ersten Moment hatte ich den Drang, einfach ALLES zu bestellen, was ich dann natürlich nicht gemacht habe! :-) Aber gerade die Vielseitigkeit ihrer Leseliste beeindruckt schon und auch wenn ich sicherlich nicht alles lesen kann und werde, so hat mich ihr Buch doch dazu gebracht, mal abseits meiner festgetrampelten Lese-Pfade zu wildern.

Um dem Buch die nötige Ehre zu geben, ist es außerdem unser „Fundstück“ für den Monat September 2012.

Note: 1

Fundstück des Monats – Februar 2012

Der ein oder andere wird sich nun fragen, wieso denn ausgerechent „Tödliche Spiele“, der erste Band von Suzanne Collins Trilogie „Die Tribute von Panem“ als Funstück des Monats auserkoren wurde, obwohl es doch momentan sowieso in aller Munde ist.

Eben! Genau deswegen! Schon bald wird die Verfilmung des ersten Bandes ins Kino kommen (mit Jennifer Lawrence, Lenny Kravitz, etc.). Hollywood verspricht sich von der Verfilmung einen Boom á la Twillight. Denn gibt die eine Kuh keine Milch mehr, muss eine andere gemolken werden.

Und schon passiert das, was leider bei allen Büchern passiert, die einen filmischen Hype erleben, es schreckt einige Leser ab, es überhaupt mit dem Buch zu probieren. So geschehen letzte Woche in unserer Weltbild Filiale, wo sich zwei Frauen das Buch angesehen haben und es mit den Worten „das ist doch jetzt so ein Teenie-Film im Kino“ wieder weggelegt haben.  Und ich selbst kenne einige Leute, die niemals Harry Potter gelesen haben, weil ihnen der Hype zu viel geworden ist.

Ich finde es traurig, weil gerade Harry Potter und auch „Die Tribute von Panem“ vor der Verfilmung erfolgreich waren. Collins war mit ihrer Trilogie auf allen Bestsellerlisten und hat in Deutschland eine treue Fangemeinde, die voller Spannung jeden weiteren Band erwartet ht. Die Bücher sind spannend, außergewöhnlich atmosphärisch und mit vielen ausdrucksstarken Figuren besetzt und zudem ist die Trilogie hervorragend geschrieben.

Von daher, plädiere ich an alle Leser, lest dieses Buch, wenn es für Euch interessant klingt. Tut Euch selbst den Gefallen und lasst Euch nicht von Filmen, kreischenden Fans bei Premieren, etc. beeindrucken. Ihr würdet wirklich ein wunderbares Buch verpassen, wenn Ihr aufgrund von „ich bin cool, ich les nicht das, was andere lesen“ einfach nicht danach greifen würdet. Wen das Buch nicht interessiert, der soll es lassen, aber manchmal ist eben etwas NICHT machen, weil man nur partout gegen den Strom schwimmen will, die schlechtere Wahl. Ich bedaure immer noch jeden, der deswegen nie einen Harry Potter Roman gelesen hat.

Fundstücke

Ende September haben wir zu einem kleinen Wettbewerb aufgerufen und uns für die Idee von Inge entschieden. Ab sofort gibt es jeden Monat ein „Fundstück des Monats“, welches genauso wie der Monatstipp rechts auf der Seite hervorgehoben wird. 

Unter dieser neuen Kategorie werdet Ihr zwei Dinge finden. Entweder eine vollkommen neue Rezension zu einem älteren oder unbekannten Buch, was uns so umgehauen hat, dass wir es besonders hervorheben wollen oder eine ältere Rezension von einem besonders überzeugenden Buch.

Bei letzterem wird es einen zusätzlichen Beitrag geben, wieso wir gerade dieses Buch für den Monat ausgesucht haben. Bei einer neuen Rezension werden wir es in der Rezension selbst erwähnen.

Da wir nicht erwarten dürfen jeden Monat ein besonderes Fundstück zu lesen, ist diese Mischung von alten und neuen Rezensionen hoffentlich sinnvoll.