Die Bücherkiste war von jeher mit dem Partnerprogramm von amazon verknüpft. Einfach, weil es lange, lange der einzig ernstzunehmene Internethändler war, den man ohne große Arbeit verlinken konnte. Dies ist allerdings schon lange nicht mehr so und so tat ich es eigentlich nur noch aus Gewohnheit. In den letzten Wochen und Monaten ist viel über amazon berichtet worden und so habe ich heute beschlossen auf der Bücherkiste nicht mehr zu amazon zu verlinken. Allerdings habe ich mich auch dazu entschieden, amazon nicht durch einen anderen Händler zu ersetzen, denn ich möchte, dass IHR selbst entscheidet, wo ihr Euer Buch kauft. Thalia, Amazon, Weltbild, Mayersche, kleine inhabergeführte Buchhandlung? Jeder so, wie er oder sie gerne möchte. Nur ich möchte mich einfach vor keinen Karren mehr spannen lassen, auch wenn mir dadurch vielleicht ein paar Euro Provision durch die Lappen gehen. Aber wer eine Literaturseite zum Geldverdienen betreibt, hat sowieso was falsch gemacht! ;-)
Ich möchte jedoch auch ein paar weitere Worte zum Thema verlieren. Ich habe in einer klitzekleinen inhabergeführten Buchhandlung meine Ausbildung gemacht. Leider existiert diese Buchhandlung schon lange nicht mehr, weil die Mayersche Buchhandelskette es vor knapp 10 Jahren für eine ganz tolle Idee gehalten hat, in den Dortmunder Vorort Hombruch zu gehen. Das war damals ein Novum, weil die Ketten eigentlich nur in die Innenstädte ziehen, aber die zwei kleinen Buchhandlungen in Hombruch waren der Mayerschen anscheinend ein Dorn im Auge, zumal der Dortmunder Süden der einkommensstärkste Bevölkerungsteil in Dortmund ist. Das war für uns damals ziemlich schlagartig das aus. Mittlerweile arbeite ich seit 8 Jahren bei Weltbild – also dem genauen Gegenteil, einer Kette.
Beide Seiten haben ihre Vor- und Nachteile. Ich habe die Zeit meiner Ausbildung geliebt, aber es ist auch ein hartes Brot, wenn man keinen Konzern hinter sich stehen hat. Die Freiheiten sind wunderbar. Man muss eben keinen halben Tisch voll mit Dieter Bohlen und Akif Pirinçci bestücken, sondern hat halt für den Kaufwilligen eins im Regal stehen, dafür aber Stapel von Büchern auf dem Tisch, hinter denen man steht und die man empfehlen kann und will. Es ist toll, wenn man einen Großteil seiner Kunden mit Namen kennt, ihre Familiengeschichte, ihre Vorlieben in Sachen Literatur. Ja, es war tatsächlich eiin bisschen so wie wie in „Email für dich“, auch wenn das bei dem ein oder anderen ein Augenrollen hervorruft. Ja, ich weiß, früher hatten wir auch nen Kaiser und sind in Kutschen gefahren. Trotzdem war es toll. Übrigens für die Stammkunden UND die Mitarbeiter.
Denn auch letztere sind menschliche Wesen, die als solche wahrgenommen werden möchten. Und ja, es macht mehr Spaß, wenn einem ein Kunde ein Eis mitbringt, anstatt immer nur seinen Frust bei einem abzuladen, weil man für ihn das anonyme Wesen ist, das stellvertretend für alles Übel des jeweiligen Konzern steht. Aber es ist auch für den Kunden schön, wenn er seinen prall gefüllten Zettel voller Nackenbeißertitel abgeben kann und anstatt schräg angeguckt zu werden, sich mit der Buchhändlerin über die Vor- und Nachteile von Schotten in Kilts austauschen kann, während man der nächsten Kundin einen ungefragt zurückgelegten Thriller mit den Worten „ist richtig blutig, so wie sie es mögen“ in die Hände drückt und sie sozusagen augenblicklich anfängt zu lesen.
Ich weiß, alles niedliche Geschichten, die man irgendwann mal seinen Enkeln erzählen kann, die einem aber nicht helfen, sich den Realitäten des heutigen Buchhandels zu stellen. Ich wollte es trotzdem mal gesagt haben. Und bevor wieder einer aufstöhnt, natürlich gibt es nette Kunden auch in großen Buchläden. Erst kürzlich hat mir eine Kundin eine Tüte gebrauchte Manesse Büchlein vorbeigebracht, weil wir uns mal bei einem Pläuschchen über diese Bücher unterhalten haben und sie nicht mehr weiß, wohin damit. Das passiert einem auch bei Weltbild. Ist aber leider seltener.
Aber zurück zum Thema. Amazon hatte in den letzten Jahren viele tolle Ideen. Sie sind innovativ und trauen sich in ihre Ideen Geld zu investieren. Ich denke, ohne amazon gebe es heute keinen nennenswerten ebook-Markt und ja, die deutsche Buchhandelsgemeinde hat diesen Trend kräftig verpennt. Sicher, die Tolinoallianz hat aufgeholt, aber im Prinzip existiert sie nur aus der Not heraus.
Der momentane Status Quo ist geteilt. Der deutsche Buchhandel plus Verlagswesen sieht den Riesen als fleischgewordenen Teufel, die lieben Selfpublisher stehen natürlich auf der anderen Seite, weil man beißt ja nicht die Hand, die einen füttert, denn seien wir mal ehrlich, ohne amazon gäbe es einen Großteil dieser Selfpublisher gar nicht. Deswegen sich hinzustellen und amazon für die tollste Erfindung seit der Waschmaschine zu halten, ist für meine Begriffe auch ziemlich kleinkariert. Ich glaube, die Wahrheit liegt dazwischen, denn amazon ist beides! Die buchhandelsfressende Ratte und die tolle Ideenschmiede.
Ich mag aber auch nicht mehr hören, dass der Buchhandel sich doch bitte mehr anstrengen soll, dann würden die Kunden auch nicht mehr bei amazon kaufen. Ja klar, und heute abend fallen dicke weiße Flocken vom Himmel und wir singen alle Hummtata. Man kann das Rad nicht neu erfinden. Wir bestellen Ware, wir dekorieren sie, wir geben Empfehlungen und wir verkaufen. Und wenn ein Kunde in meinen Laden kommt und ein bestimmtes Buch haben will, was ich nicht da habe, dann hat es nichts mit meiner Unfähigkeit zu tun, sondern vielleicht daran, dass ich nicht genug Platz für die Millionen Bücher habe, die es so gibt. Man kann schlicht vom stationären Buchhandel nicht verlangen, dass sie alles da haben. Trotzdem könnte man ja beim Onlineshop des betreffenden Buchladens das Buch bestellen. Sogar nach Hause. Zumindest die großen Ketten wie Weltbild, Hugendubel, Thalia haben so etwas und viele kleine Buchläden längst auch. Trotzdem werden diese Seiten weniger genutzt, als amazon. Und woran liegt das?
Tja, weil man bei amazon so hübsch die nächste fällige Packung Pampers und den Lipgloss und die Kondome und diese Schokoriegel und ach, die Waschmaschine von weiter oben ist auch grad in die Binsen, bestellen kann. Und woran liegt das? Weil wir alle strunzenfaul geworden sind.
Und auch weil amazon als eine trendige Marke wahrgenommen wird. Ein bisschen so wie Apple und Starbucks. Die Leute haben das Gefühl, sie kaufen ein Premiumprodukt, dabei ist es auch nur Kaffee und nur ein Handy und nur ein Buch. Das liegt vielleicht daran, weil amazon der erste Buchhändler im Internet war. Ich erinnere mich an die späten 90er, wo 80% der Deutschen noch gar kein Internet hatten. Damals gab es kaum Internethändler, noch keine Blogs und eine handvoll Literaturseiten, die versuchten eine Community aufzubauen. Damals war amazon nur ein Buchhändler. Die Fernseher, das Klopapier und all das andere Zeugs kamen erst später.
Das Internet, nicht nur amazon haben den Einzelhandel verändert, aber die Bedeutung dieses Wandels muss viel mehr in den Fokus gerückt werden. Es geht nicht nur um den Buchhandel. Es geht um Spielzeugläden, um Boutiquen, um Plattenläden, etc. etc.
Vorgestern hörte ich im Radio einen Bericht, wo sich eine Mutter darüber beschwerte, dass sie in keinem Laden in der Stadt eine Schulgeldbörse (was das genau ist, weiß ich im Übrigen auch nicht) für ihren Sohn bekommen konnte, dabei wären ja nächste Woche die Ferien zu Ende. Das wäre vom Einzelhandel ja eine bodenlose Frechheit. Tja, wozu soll der liebe Einzelhandel denn bitte schön zwanzig verschiedene Geldbörsen bestellen und auf Lager haben, wenn kein Schwein mehr kommt und danach fragt. Solll ich auf die eine Kundin in 6 Wochen warten, die so was haben will? Es wird sich immer über den Einzelhandel aufgeregt, aber Leute, wenn ihr den Einzelhandel mal nutzen würdet, könnnte der auch besser planen, Dinge vorrätig haben, weil er auch weiß, dass danach gefragt wird und das er es auch verkauft.
Mir geht dieses „der Kunde ist König“ total auf den Zeiger. Wenn der liebe König nur alle paar Jahre mal vorbeischaut, dann hilft das leider wenig. Auch die Kunden haben eine Verantwortung. Die Innenstädte sterben schon und irgendwann kann man nicht mehr am 24.12. noch das obligatorische Parfum für Omi und das Buch für Opa kaufen, weil dann gibt es die Geschäfte nicht mehr. Aber vielleicht schickt amazon dann ja einen mit’m Fahrrad oder ne Drohne.
Mich macht es wütend, dass alle immer nur an sich denken. Natürlich ist auch im deutschen Buchhandel nicht alles tutti. Bei den großen Buchhandelsketten sind die Arbeitsbedingungen auch nicht wunderschön, aber wenigstens zahlen die Unternehmen hier ihre Steuern. Aber wir verbrennen in den letzten Jahren Arbeitsplätze (überhaupt im Einzelhandel), dass ich mich frage, wer soll eigentlich irgendwann bei amazon noch kaufen, wenn alle arbeitslos sind, die Städte leer. Wir brauchen den Einzelhandel und damit meine ich nicht nur die Leute, die darin arbeiten. Wir hofieren Euch Kunden gerne als König, aber wir müssen auch die Möglichkeit dazu bekommen.
Leider befinden wir uns mittlerweile schon in einem Teufelskreis und man muss sogar Dinge bestellen, weil man sie schlichtweg stationär nicht mehr bekommt. Aber wie gesagt, kein Einzelhändler kann sich totes Kapital aufs Lager legen, nur weil er hofft, dass doch mal jemand fragt. Solange es kein grundsätzliches Umdenken gibt, wird die Spirale immer weiter nach unten zeigen. Das hat für mich nichts mit Schuldzuweisungen zu tun, aber jedem muss bewusst sein, dass sein Kaufverhalten direkte Auswirkungen hat.
Und das Gejammer wird groß sein, auch bei den Selfpublishern, denen amazon jetzt die ganze Torte gibt und irgendwann wahrscheinlich auch nur noch ein paar Krümel. Ich weiß, es gibt keine wirkliche Alternative und würde ich jetzt veröffentlichen, würde ich es auch (wenn ohne Verlag) bei amazon tun. Ich boykottiere den Laden ja nicht. Auch ich bestelle da schon mal Sachen, die ich woanders nicht kriege. Ich würde mir nur wünschen, dass alle mal ein bisschen ehrlicher sind und sich den Gefahren bewusst werden, die so ein Monopol mit sich bringt. Denn ist es nicht gerade die Vielfalt, die unsere Literatur ausmacht? Was passiert, wenn doch irgendwann mal die Buchpreisbindung fällt? Wenn amazon – weil sie den langen Atem haben – in einer beispiellosen Rabattschlacht alle anderen Händler ausstechen wird, um dann hinterher die Preise diktieren zu können? Alles Schwarzmalerei? Dann schaut mal über den Atlantik!
Ja, der Einzelhandel muss sich anstrengen und den Einkauf zu einem Erlebnis machen. Aber wenn der Kunde möchte, dass man ihm alles nach Hause trägt, damit er sich nicht mehr vom Sofa bewegen muss, dann hat der Einzelhandel keine Chance und dann kann er sich auch noch so anstrengen und noch so tolle Ideen haben. Vielleicht schmiert Euch der Postbote ja auch demnächst das Bütterken? Und bitte kommt mir jetzt nicht wieder mit den vielbeschäftigten arbeitenden Menschen. Früher hatten die Geschäfte viel weniger Stunden am Tag geöffnet und trotzdem ist keiner verhungert oder lief ziellos nackig durch die Straßen.
Ich höre immer, dass der Kunde sich nicht gängeln lassen will, dass er selbst entscheiden darf, kann und muss. Gerne! Auch ich rufe keinesweg zum amazon-Boykott auf (wie ich schon sagte, auch ich bestelle hin und wieder dort), aber ich finde schon, dass man die Bevölkerung in die Pflicht nehmen darf, mal mehr nachzudenken. Es geht nicht um den Buchhandel, es geht um den Einzelhandel insgesamt. Es geht darum, dass wir alles am liebsten nur noch super günstig oder am besten umsonst haben wollen. Aber bitte Bio und mit fairen Arbeitsmethoden. Nur geht das alles auf einmal nicht. Wir können direkt durch unser Kaufverhalten Einfluss nehmen. Wollen wir amerikanische Verhältnisse?
Mir geht die Diskussion nicht weit genug. Es geht nicht nur um Bücher. Es geht um grundsätzliches Kaufverhalten, um Arbeitsplätze, um Familien. Und es täte niemandem weh, wenn er seine Käufe weiter streut. Die Diskussion um amazon ist nur ein Anfang. Letztlich ist es eine gesellschaftliche Diskussion. Es geht nicht darum Kunden zu bevormunden, aber es geht darum Kunden zu informieren. Was sie dann mit dieser Information anfangen, bleibt ihnen ja zu überlassen. Wer aufgeklärt ist und trotzdem bei amazon kaufen möchte, der soll dies tun. Immerhin leben wir ja in einer Demokratie. :-) Allerdings sollte man sich eben über die Auswirkungen seines Tun bewusst sein.
Amazon geht es nicht um den Verkauf von Ware, sondern um Marktmacht. Auch Thalia, Mayersche und Weltbild sind große Ketten, die viele kleine Buchhandlungen kaputt gemacht haben, aber sie sind wenigstens noch im weitesten Sinne Buchhändler, denen am Kulturgut Buch etwas liegt. Ich würde mir allerdings wünschen, dass Letztere sich doch eines von amazon abgucken – den Mut, mal etwas für Ideen und Innovationen zu wagen. Vielleicht fragt man da auch glatt mal die Mitarbeiter, also die Leute an der „Front“ und verlässt sich nicht immer nur auf die schicken in Auftrag gegebenen Studien und die super Ideen der Geschäftsführungen.
P.S. Ich weiß, der Text ist sehr lang und ich hoffe, Ihr seid nicht auf halbem Weg eingeschlafen. :mrgreen: Wer möchte, ist herzlich dazu eingeladen etwas zu diesem Kommentar zu schreiben. Egal ob hier oder auf Facebook oder wo auch immer. Dieser Text ist eine erweiterte Version eines Facebookbeitrages von mir auf meinem privaten Profil, der bereits einige Male geteilt und kommentiert worden ist.