Buthe, Hef : Im Schatten des Münsters

Verlag: Bastei Lübbe
erschienen:
2007
Seiten:
320
Ausgabe:
Taschenbuch
ISBN:
  3404157834

Klappentext:

Otto ist ein Stadtstreicher, der sein Holzwägelchen über den Münsterplatz schiebt. Die Anlieger beobachten ihn mit einer Mischung aus Widerwillen und Mitleid. Doch als der Organist des Münsters einem mysteriösen Unfall zum Opfer fällt, rückt Otto in den Mittelpunkt des Interesses. Ein Journalist deckt Zusammenhänge auf, welche die Kirche lieber verschweigen möchte. Es geht um ein Konkordat aus dem 19. Jahrhundert, das Erbe einer alten italienischen Adelsfamilie und die Frage: Wem gehört der Münsterplatz? Die Antwort könnte lebenswichtig sein. Nicht nur für Otto.

Rezension:

Dies ist einer der seltenen Thriller der mich durch seine angenehme Atmosphäre und Realitätsnähe sehr beeindruckt hat. Der Autor beschreibt in diesem Buch das Leben rund um den Münster so lebendig und bodenständig das ich mich wirklich sofort mitten drin wiederfand. Da ich selbst schon mehrfach am Münster war, gab es für mich absolut gar keine Schwierigkeiten in die Handlung einzutauchen. Das mag aber auch an dem flüssigen und leicht verständlichen Schreibstil des Autors gelegen haben. So genau kann ich das gar nicht sagen, warum mir die Menschen und Orte in diesem Buch sofort vertraut waren. Mit Sicherheit kann ich aber sagen, dass der Autor hier Personen beschreibt, die mir genauso jeden Tag begegnen. Der Stadtstreicher Otto ist mir genauso vertraut gewesen wie auch der Grieche in seinem Lokal oder die Bedienung in dem Café. Diese Menschen hat der Autor mit einer sehr bildhaften Sprache genauso beschrieben wie sie wirklich sind. Besonders gut hat mir gefallen, wie der Autor von Anfang an die Spannung aufbaut und ich als Leser schon ab dem dritten Kapitel miträtseln konnte.

Der Journalist mit dem unaussprechlichen Namen >Krzcywanowski<, der eigentlich nur Urlaub machen wollte und dabei in eine rätselhafte Geschichte verwickelt wird, reagiert genauso wie ich es auch
getan hätte. Er macht Fehler, weil er zur falschen Zeit am falschen Ort ist, oder er schlindert in eine gefährliche Situation hinein und begreift erst hinterher das er Details übersehen hat die ihm eine Warnung hätten sein müssen. Das zeichnet diesen Krimi aus, dass die Protagonisten allesamt Fehler machen und erst später erkennen das sie sich getäuscht haben.

Was mich auch sehr beeindruckt hat an diesem Buch, ist die Tatsache das dieser Thriller ohne Gewaltszenen und großes Blutvergießen eine enorme Spannung aufbaut. Man ist als Leser förmlich gefangen in den Geheimnissen der Menschen und versucht sie zu erraten, aber was am Ende dann in der Auflösung alles ans Licht kommt, da wäre ich nie drauf gekommen! Ich hatte schon viele abenteuerliche Theorien entwickelt, aber auf die Lösung die der Autor gefunden hat, bin ich nicht gekommen.

Es ist nicht so, dass es in diesem Thriller bzw. Krimi keine Leichen gibt, aber der Autor verzichtet darauf den Leser mit ausführlichen Beschreibungen der Leichen oder mit einer direkten Beschreibung der Tötung zu schockieren. In diesem Punkt hat der Autor den Weg der leisen und eindringlichen Töne gewählt.

Es gäbe noch vieles zu den Beschreibungen der Charakter und der Handlung zu sagen, aber damit würde ich hier zu viel verraten und daher lautet mein Rat an alle Krimi und Thriller Leser: Kauft euch das Buch und genießt es in ruhigen Lesestunden. Es lohnt sich in dieses Buch Geld und Zeit zu investieren. Ich bin wunderbar unterhalten worden und konnte das Buch nur schwer aus der Hand legen nachdem ich es angefangen hatte.

Note: 1

Baronsky, Eva: Herr Mozart wacht auf

Verlag: Aufbau Taschenbuch
erschienen:
2011
Seiten: 320
Ausgabe:
Taschenbuch
ISBN: 374662696X

Klappentext:

Der Mann, der sich nur daran erinnert, am Vorabend als Wolfgang Amadé Mozart auf dem Sterbebett gelegen zu haben, kann sich die bizarre Umgebung nicht erklären, in der er erwacht: Musik ohne Orchester, Fuhrwerke ohne Pferde, Licht ohne Kerzen. Ist er im Vorhof zur Hölle oder im Paradies angelangt, und vor allem: mit welchem Auftrag?

Rezension:

Ich kann mich den allgemeinen Lobeshymnen zu diesem Buch leider nicht anschließen. Vielleicht bin ich auch, auf Grund der vielen positiven Rezensionen, mit viel zu hohen Erwartungen an dieses Buch herangegangen und daher nun enttäuscht.

Der Einstieg in die Geschichte ist noch sehr schwungvoll und spannend, doch kaum ist man mit Mozart im Jahr 2006 angelangt wird die Handlung zäh. Da hilft auch nicht der flüssige und humorvolle Schreibstil der Autorin. Sehr ausführlich beschreibt Frau Baronsky die Eindrücke und Gefühle, die auf den „auferstandenen“ Mozart einstürmen.  Auch wenn das Verhalten, welches Mozart zwangsläufig zeigt, sehr gut seiner eigenen Epoche nachempfunden wurde, so waren meiner Meinung nach einige Szenen total überflüssig.

Warum ist Mozart in einer total versoffenen Wohngemeinschaft irgendwo in Wien aufgewacht und nicht in dem Mozart-Haus, welches heute noch in Wien steht? Das war schon mal die erste unlogische Aktion in diesem Buch für mich! Die nächste unbeantwortete Frage war dann, warum es zu diesem Erwachen kam oder was diesen Zeitsprung für Mozart verursacht hat? Die Erklärung, die Mozart sich selbst gibt, dass er von Gott beauftragt ist sein Requiem zu beenden, war mir etwas zu schwach. Dieses Requiem ist bis heute nicht beendet worden. Jedenfalls nicht von Mozart selbst!

Die Aufzählung der technischen Errungenschaften im 21 Jh. und Mozarts Erstaunen darüber wirken auch irgendwann nicht mehr lustig und die Sonaten in Dur und Moll, die Mozart aufschreibt weil er durch die Geräusche von Handys und U-Bahnen dazu inspiriert wird, haben mich auch nicht überzeugt. Ich hatte ab der Mitte des Buches den Eindruck, dass hier nur aufgezählt wurde welche Veränderungen es seit dem 18 Jh. gegeben hat.

Die Protagonisten in diesem Buch wirkten alle etwas konstruiert und oberflächlich. Ich habe weder zu Mozart noch zu Piotr eine gute Beziehung aufbauen können. Auch die Frauen und die Liebesgeschichten in diesem Buch hatte nicht so viel Tiefe das ich mitgelitten oder mitgefühlt hätte. Dieses Buch wurde dem großen Musiker und Genie, Wolfgang Amadeus Mozart, nicht gerecht. Im Gegenteil, Mozart wurde zu einer Art Witzfigur in dieser Handlung und ich denke, DAS hat er wirklich nicht verdient.

Wie gesagt, es ist ein flüssig und humorvoll geschriebenes Buch, welches man mal eben zwischendurch lesen kann, in der U-Bahn oder beim Arzt, denn man kann es jederzeit problemlos aus der Hand legen, da man nicht gefesselt wird von der Handlung. Eine leichte Unterhaltungslektüre mit der man sich ablenken kann, aber leider nicht das witzige oder spritzige Werk einer Autorin die Mozart würdigen will.

Das ist sehr schade, denn viele Ideen in diesem Buch, hätten, wenn sie richtig ausgearbeitet worden wären, zu einer spannenden Handlung führen können, aber diese Chancen hat die Autorin leider vergeben. Man sollte sich also nicht von den den vielen positiven Rezensionen beeindrucken lassen und mit all zu hohen Erwartungen an dieses Buch herangehen. Ich kann dieses Buch für einen Tag am Strand oder als leichte Unterhaltungslektüre vor dem Einschlafen empfehlen. Als herausragenden Lesegenuss kann man es aber nicht empfehlen.

Note: 3

Schacht, Andrea: Der Sünde Lohn

Band 3 Alyss Serie

Verlag:
Blanvalet
erschienen:
2011
Seiten:
448
Ausgabe:
Taschenbuch
ISBN: 3442376696

Klappentext:

Alyss’ Neffe Tilo und der Geschäftspartner und Freund des Hauses, John of Lynne, wurden auf der Überfahrt über die Nordsee von Vitalienbrüdern entführt. Bang fragt sich Alyss, ob sie sich aus eigener Kraft aus den Fesseln der Piraten befreien können. Und auch in Köln droht schreckliche Gefahr: Ein Mann mit Wolfsmaske schleicht durch die Gassen und stellt Frauen nach. Eines Tages schleppt sich die junge Inse schwer verletzt vor Alyss’ Hof. Mit letzter Kraft haucht sie noch: »Ketzer …«

Rezension:

Wer bisher Schwierigkeiten hatte mit Alyss und Marian warm zu werden, wird spätestens in diesem Buch beide Kinder von Almut und Ivo ins Herz schließen. Zum Einen hat man sich als Leser an die neuen Hauptfiuren und ihre verschiedenen Lebensumstände gewöhnt, und zum Zweiten sind einem nun auch die jungen Leute der neuen Generation sofort vertraut, sobald man ihren Namen liest. Tilo, Lauryn, Frieda, Lore und wie sie alle heißen, die zu dem Haushalt von Alyss gehören. Und natürlich Almut, Ivo und auch der Magister Jakob waren mir sofort wieder vertraut. Ich hatte, als ich das Buch aufschlug und die ersten Seiten gelesen hatte, sofort wieder das Gefühl bei alten Freunden in der Küche zu sitzen.

Die Atmosphäre und auch der Schreibstil von Frau Schacht vermitteln dem Leser ein unheimlich angenehmes Lesegefühl. Man kann sich gut entspannen und vom Alltag abschalten sobald man mit Alyss, Marian, Gislindis und allen anderen Protagonisten wieder im alten Köln auf Verbrecherjagd geht. Die Handlung in diesem Roman ist sehr vielschichtig und abwechslungsreich. Die Personen sind lebendig und humorvoll beschrieben. Ebenso auch die Straßen und Märkte am Rheinufer.

Die politischen Hintergründe hat Frau Schacht in diesem Buch nicht so ausführlich dargestellt, denn das hat sie ja schon in den beiden ersten Büchern dieser Serie beschrieben. Dafür hat die Autorin in diesem Buch ihr Augenmerk auf die alten Sitten und Bräuche gerichtet. Es macht Spaß zu erfahren wie die Menschen früher auch in der Fastenzeit noch leckere Speisen zubereiteten, oder welche Omen etwas über gute oder schlechte Zeiten aussagen. Von den Osterbräuchen und kirchlichen Vorgaben mal ganz zu schweigen. Durch kleine, geschickt eingefügte Rückblenden zu den Ereignissen aus den ersten beiden Büchern, vermittelt die Autorin dem Leser das Gefühl, als hätte man gestern erst den ersten und zweiten Band gelesen.

Der Krimianteil ist spannend aufgebaut und auch zum Teil logisch und schlüssig gelöst. Natürlich bleiben auch am Ende dieses Buches wieder einige Fragen offen, denn dieses Buch ist noch nicht das Letzte dieser Serie.

Die Dialoge und auch die Liebesgeschichte in diesem Buch sind sehr lebendig und geschmackvoll beschrieben. Ich habe oft geschmunzelt, aber auch an manchen Stellen etwas nachdenklich das Buch beiseite gelegt um über die eine oder andere Szene nachzudenken. Dieser Prozess, dass Kinder sich endgültig von ihre Eltern „abnabeln“ ist in diesem Buch sehr deutlich geworden. Eltern und Kinder lernen langsam – und manches mal auch schmerzlich – von der Eltern-Kind-Beziehung Abschied zu nehmen und sich auf einer neuen, freundschaftlichen Ebene wieder respektvoll zu begegnen. Es ist der ewige Lauf der Zeit und viele Generationen, Eltern und Kinder, haben diesen Prozess durchlebt. Sehr einfühlsam und klug hat Frau Schacht diese Phase zwischen den Generationen in die Handlung eingefügt.

Dieses Buch bietet wirklich eine tolle Mischung aus Liebe, Freundschaft, Mord und Intrigen. Eine bessere Unterhaltung konnte ich mir für die vielen, verregnetenWochenenden in diesem Sommer gar nicht wünschen. Ich hoffe, dass ich nicht zu lange auf den nächsten Teil dieser Serie warten muss, denn ich habe diese jugendlichen Protagonisten sehr ins Herz geschlossen.

Note: 1

Bradley, Alan: Mord im Gurkenbeet

Flavia de Luce Band 1

Originaltitel: The Sweetness at the Bottom of the Pie
Verlag:
Blanvalet Taschenbuch
erschienen:
2010
Seiten:
400
Ausgabe:
Taschenbuch
ISBN:
3442376246

Klappentext:

Die junge Flavia de Luce staunt nicht schlecht, als sie im ersten Morgenlicht das Opfer eines Giftmordes in ihrem Gurkenbeet entdeckt! Da jeder ihren Vater, den sanftmütigen Colonel de Luce, für den Mörder zu halten scheint, nimmt die naseweise Flavia persönlich die Ermittlungen auf. Hartnäckig folgt sie jeder noch so abwegigen Spur – bis sie einsehen muss, dass ihr Vater tatsächlich ein dunkles Geheimnis hütet. Und so befürchtet Flavia schließlich, dass sie vielleicht eine zu gute Detektivin ist …

Rezension:

Mit der Figur der Flavia de Luce hat der Autor, Alan Bradley, eine sehr außergewöhnliche Detektivin geschaffen. Nicht nur das Flavia erst 11 Jahre alt ist, nein sie ist auch noch ein kleines Chemie-Genie.

Mit den ungewöhnlichen Lebensumständen in denen Flavia aufwächst, muss man sich als Leser zunächst etwas auseinander setzten. Flavias Mutter ist kurz nach Flavias Geburt gestorben, der Vater verkörpert den typisch britischen Gentlemann, der in Londoner Clubs zu Hause sein könnte. Die beiden älteren Schwestern fühlen sich durch Flavias Anwesenheit gestraft und genervt! Der Vater, die Köchin und der Gärtner nehmen dieses Kind auch nur zur Kenntnis, wenn es unvermeidlich ist. Somit ist Flavia gezwungen sich ihre eigene Welt interessant zu gestalten, dies tut sie, indem sie in ihrem Chemielabor die abenteuerlichsten Experimente durchführt und Dokumentiert.

Die Anzahl der Protagonisten hat der Autor in diesem Buch auf einem recht überschaubaren Niveau gehalten, was den Einstieg in die Handlung auch sehr erleichtert hat.

Als Leser muss man sich jedoch immer wieder vor Augen halten, dass Flavia zu beginn des zweiten Weltkrieges geboren wurde und somit im Krieg aufgewachsen ist. Auch wenn sie in einer englischen Kleinstadt aufwuchs, so hat sie doch die Auswirkungen des Krieges mitbekommen. Der Autor lässt in diesem Buch auch immer wieder einige Hinweise einfließen die den Leser darauf aufmerksam machen, dass der Krieg viele Spuren hinterlassen hat bei den Menschen.

Auf Grund ihrer kindlichen Neugier und ihres einsamen Daseins im Hause de Luce, überrascht es den Leser dann auch nicht, dass Flavia nicht schreiend wegläuft, als sie eine Leiche im Gurkenbeet entdeckt. Die Art und Weise wie sie jedoch versucht den Mörder zu finden, fand ich nicht immer logisch. Der Autor hat sich zwar bemüht den Leser an Flavias Gedankengängen teilhaben zu lassen, doch waren diese Gedankengänge manches mal so wirr, dass Flavias nächste Handlung gar nicht recht als logische Schlussfolgerung zu ihren Überlegungen passte. Ich habe mich beim Lesen immer wieder mal gefragt, wie ist sie denn jetzt darauf gekommen zu diesem Ort zu radeln oder mit diesem oder jenen Menschen zu sprechen? Das scheint aber vom Autor genau so beabsichtigt zu sein, dass er auf diesem Weg klar machen wollte: Flavia weiß wen sie im Ort fragen muss und der Leser bekommt dann die Erklärung später in einem Nebensatz nachgereicht, wenn Flavia mal wieder in irgendeiner Wiese liegt und nachdenkt.

Das kindliche „Denkschema“ verliert der Autor nie aus den Augen und das verleiht diesem Buch einen ganz besonderen Charme. Auch wenn man sich an die etwas unterkühlte Atmosphäre und auch an den etwas skurrilen, fast schwarzen Humor, in diesem Buch erst gewöhnen muss, so ist dieser Krimi doch ein wundervolles Werk mit hohem Unterhaltungswert.

Der Leser wird über viele Umwege, da ja ein Kind nicht so ermitteln kann wie ein erwachsener Mensch, zu einer interessanten und logischen Lösung des Mordfalls im Gurkenbeet geführt. Dieser Aha-Effekt am Ende der Handlung ist dem Autor wirklich gut gelungen.

Flavia ist im Kreise aller Ermittler, die ich bisher in Kriminalromanen kennen gelernt habe, mit Abstand die außergewöhnlichste Persönlichkeit die mir je begegnet ist. Mit ihrem jugendlichen Leichtsinn und ihrer kindlichen Naivität verleiht sie diesem Krimi eine sehr eigenwillige Note.

Ich bin ehrlich gespannt ob Flavia am Ende dieser Krimi Serie eine große Chemikerin wird oder vielleicht doch eher FBI Agentin. Bis wir als Leser dieses erfahren, werden wir wohl Flavia noch einige Zeit begleiten und so manchen Kriminalfall mit ihr zusammen lösen.

Der zweite Teil: „Mord ist kein Kinderspiel“ ist schon auf dem Markt und der dritte Teil „Halunken, Tod und Teufel“ wird im Herbst 2011 im Handel erhältlich sein.

Wer sich mit chemischen Formeln und auf abenteuerlichen Umwegen der Lösung eines Mordfalls nähern möchte, ist mit dieser Krimiserie sicher sehr gut beraten.

Note: 2

Finnek, Tom: Unter der Asche

Verlag: Bastei Lübbe
Erschienen:
2011
Seiten: 656
Ausgabe: Taschenbuch
ISBN: 3404160517

Klappentext:

Ein faszinierender Roman rund um das große Feuer von London London 1666 ═ vier Tage lang verschlingt ein Feuer die Stadt. Im Armenviertel Southwark lebt der Straßenjunge Geoff, der mehr schlecht als recht versucht, seine Familie durchzubringen. Seine Schwester Jezebel, die sich in einer verruchten Spelunke als Schankmagd verdingt, birgt ein Geheimnis ═ und verschwindet eines Tages spurlos. Auf der Suche nach ihr stößt Geoff auf ein Netz aus Intrigen, Schuld und ungesühnter Rache ═ ein Gemisch, das schließlich den größten Brand der Geschichte entfachen sollte …

Rezension:

Dieses Buch hat mich noch lange beschäftigt nachdem ich es beendet hatte und daher hat es auch etwas länger gedauert, bis ich erkannte, WARUM dieses Buch so einen nachhaltigen Eindruck bei mir hinterlassen hat. Das Besondere an diesem historischen Roman ist der Erzählstil, den Tom Finnek gewählt hat. Der Autor überlässt es quasi seinen Protagonisten ihre Geschichte zu erzählen.

Während der Leser im Prolog die ersten beiden Hauptdarsteller kennenlernt und über die Ereignisse nach dem großen Brand in London informiert wird, ist er auch schon mitten drin in der Geschichte. Denn am Ende des Prologs fordert der Lehrer, den Schüler Geoffrey auf, zur Feder zu greifen. Geoffrey ist gerade mal 13 Jahre alt und schreibt munter, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, drauf los. Diese kindliche Sichtweise der Ereignisse verzaubert den Leser und zieht ihn schnell in seinen Bann.

Der Autor erzählt hier nicht vom Adel oder von spannenden Intrigen an irgendwelchen Königshöfen. Nein, hier präsentiert ein Autor die ungeschminkte Wahrheit zu dem alltäglichen Überlebenskampf der einfachen Menschen in Londons Straßen und Gassen. Geoffrey lebt in furchtbar ärmlichen Verhältnissen und von Familienleben kann keine Rede sein, denn er wächst zwischen Gaunern, Säufern und gewalttätigen Menschen auf. Über den Dreck, den Hunger und seine Ängste spricht er nur zwischen den Zeilen, aber da mit besonderer Intensität. Man spürt beim Lesen die Gefühle des Jungen, ohne das er sie deutlich beschreibt. Man lacht und leidet mit Geoffrey, denn er ist wirklich clever. Wenn Geoffrey von seiner Familie erzählt und von seinen Erlebnissen, dann entwickelt die Handlung eine sehr emotionale Atmosphäre und dieser junge Held verleiht durch seinen lockeren und kindlich naiven Erzählstil dem Roman einen ganz besonderen Charme.

Aber auch die anderen Protagonisten kommen zu Wort und schreiben ihre Schicksale aus ihrer Sicht auf. Dabei ist ein jeder auf der Suche nach der Wahrheit. Als Leser spürt man sehr schnell, dass diese Wahrheiten, Ereignisse und auch Schicksale der einzelnen Protagonisten irgendwie zusammen hängen. Allerdings werden die Ereignisse aus so vielen verschieden Perspektiven erzählt, dass man am Ende mehr Wahrheiten hat als einem lieb ist. Dennoch habe ich zum Schluss festgestellt, dass jede Lösung eines Rätsels, auch immer die logische Konsequenz aus der Handlung war. Von daher war auch nicht jede Lösung klug oder sinnvoll, denn sie war so facettenreich wie die verschiedenen Charakter der Hauptdarsteller und das heißt, manche Lösung war auch nicht perfekt, aber eben die einzig logische Konsequenz aus der Handlung.

Tom Finnek hat in diesem Roman ein brillantes Spiel zwischen Wahrheit und  Lüge aufgebaut, dass war spannender und unterhaltsamer als so mancher Psychothriller. Es hat richtig Spaß gemacht dem jungen Helden Geoffrey in seine Welt zu folgen und zusammen mit ihm nach der Wahrheit zu suchen. Zumal Geoffrey direkt am Anfang mal kurz versucht hat die politischen und auch religiösen Hintergründe der damaligen Zeit zu erklären, aber dann kapituliert hat, da sich auf dem Gebiet immer so schnell etwas ändert. Somit war klar, dass der Leser sich hier auf dem „bürgerlichen Pflaster der Geschichte Londons“ bewegen wird, was mir auch sehr recht war.

Der Autor beleuchte in diesem Buch sehr eindrucksvoll das Leben auf den Straßen, in den Schänken, auf dem Land und auch an den geheimen Orten, an denen die adeligen gerne mit Masken erschienen. Das harte Leben der Künstler und die Tricks der Gauner werden in der Handlung genauso thematisiert, wie auch die Tatsache, dass ein jeder gerne mal aus der Bibel zitiert, wenn er mit unangenehmen Wahrheiten konfrontiert wird. Die Schauplätze der Handlung und auch die sozialen Verhältnisse hat der Autor sehr wortgewandt und eindrucksvoll beschrieben. Sie wurden beim Lesen so lebendig, dass man die Gerüche förmlich in der Nase hatte und die Magenwände Beifall klatschten.

Man merkt das Tom Finnek akribisch genau recherchiert hat und im Glossar, am Ende des Buches, findet man Antworten zur Währung, alten Begriffen, Titeln oder Persönlichkeiten der damaligen Zeit. Auch ein Personenregister und eine kleine Karte sind in dem Buch eingebunden. Das habe ich beim Lesen als sehr hilfreich empfunden.

Dieses Buch war für mich in diesem Jahr ein echtes Highlight und ich kann es wirklich jedem historisch interessiertem Leser empfehlen, der sich gerne mal auf ein neues Lese-Abenteuer einlassen mag.

Note: 1+