Rowling, Joanne K.: Harry Potter und der Stein der Weisen – illustriert

Band 1 Harry Potter Serie

Originaltitel: Harry Potter and the Philosopher’s Stone
Verlag:
Carlsen
erschienen:
2015
Seiten:
256
Ausgabe:
Hardcover
ISBN:
3551559015
Übersetzung:
Klaus Fritz

Klappentext:

Lassen Sie sich von dieser wunderschönen Neuausgabe verzaubern! Harry Potters Geschichte ist inzwischen weltbekannt, doch nun ist eine einzigartige, vierfarbig illustrierte Ausgabe des Klassikers erschienen. Jim Kay, Illustrator des preisgekrönten „Sieben Minuten nach Mitternacht“ von Patrick Ness, hat die Welt von Harry Potter und ihre unvergleichlichen Figuren in ein neues Gewand gehüllt. Seine fantasievollen Zeichnungen werden nicht nur Fans, sondern auch neue Leser in ihren Bann ziehen.

Rezension:

Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, was ich anderes als eine Lobhudelei hier aufs „Papier“ bringen soll. „Harry Potter und der Stein der Weisen“ war für uns alle vor Jahren der Einstieg in ein neues Universum, welches bis heute die Kinder- und Jugendbuchliteratur geprägt hat und auch in Zukunft prägen wird. Kann sich irgendjemand von Euch ein Leben ohne Harry Potter vorstellen?

12233082_1164302383584185_1527439023_n
Einmal auf nach Hogwarts…

Ich möchte in dieser Rezension gar nicht so sehr auf den textlichen Inhalt, sondern mehr auf die wunderbaren Illustrationen von Jim Kay eingehen. Glücklicherweise hat sich Kay weitestgehend von den Vorstellungen, die man aufgrund der Verfilmungen hat, gelöst und so ist wirklich auf jedem Bild etwas zu entdecken. Es ist unglaublich, wie er mit Farben und Schattierungen Stimmung erzeugt und Personen, aber auch Gegenständen und Handlungsorten eine ganz faszinierende Tiefe gibt. Schon beim Aufschlagen des Buches hat man das Gefühl in einer sturmumpeitschten Nacht auf Hogwarts gelandet zu sein.

Das Buch enthält viele große Bilder und besondere Szenen, die sogar ganze Doppelseiten einnehmen. Als Beispiel sei hier eines der Highlights, das Gleis 9 3/4 genannt, welches auch das Cover ziert, in seiner Doppelseiten-Größe im Buch aber noch einmal schöner wirkt. Aber auch auf Seiten, wo es gar keine Bilder gibt, verziert Kay den Text mit Farbklecksen oder gar kleinen Gegenständen, wie z.B. den fliegenden Schlüsseln gegen Ende des Romans.

Fliegende Schlüssel auf dem Weg zum Stein der Weisen ...
Fliegende Schlüssel auf dem Weg zum Stein der Weisen …

Es ist, als würde man das Buch noch einmal neuentdecken. Für die neue Generation, die vielleicht Harry Potter erst jetzt entdeckt, ist zudem ein wundervolles Vorlesebuch. Werden die späteren Bände für jüngere Kinder zu düster und komplex, ist „Harry Potter und der Stein der Weisen“ durchaus auch für Grundschulkinder geeignet. Also macht es Euch doch in der Adventszeit mal mit Euren Kindern auf dem Sofa bequem und schmökert gemeinsam bei Kerzenschein und Plätzchen in diesem Buch und lasst Eure Fantasie beflügeln. Das Buch hat übrigens einen wunderschönen Lackumschlag und ein praktisches Lesebändchen.

Ich hoffe wirklich, dass auch die anderen Teile der Serie eine Illustrierung verpasst bekommen. Auch wenn ich mich frage, wie das z.B. bei „Harry Potter und der Orden des Phoenix“ funktionieren soll. Der Roman hat schon ohne Bilder über 1000 Seiten. Aber zum Glück muss ich mir darüber ja keine Gedanken machen, würde allerdings auch ein 5000 Seiten Buch zur Not mit Sackkarre nach Hause tragen, wenn es genauso wunderschön ist, wie dieser Auftakt.

Für das richtige Feeling beim Lesen des Buches (oder der Rezi ;-) ) einfach mal wieder die Filmmusik einschalten:

Note: 1+

Yoon, Nicola: Du neben mir und zwischen uns die ganze Welt

Originaltitel: Everything, Everything
Verlag:
Dressler
erschienen:
2015
Seiten:
336
Ausgabe:
Hardcover
ISBN:
3791525409
Übersetzung:
Simone Wiemken

Klappentext:

Am Anfang war ein Traum. Und dann war Leben! Wenn ihr Leben ein Buch wäre, sagt Madeline, würde sich beim Rückwärtslesen nichts ändern: Heute ist genau wie gestern und morgen wird sein wie heute. Denn Madeline hat einen seltenen Immundefekt und ihr Leben lang nicht das Haus verlassen. Doch dann zieht nebenan der gut aussehende Olly ein – und Madeline weiß, sie will alles, das ganze große, echte, lebendige Leben! Und sie ist bereit, dafür alles zu riskieren. So hat man die Liebe noch nie gelesen! Das neue Lieblingsbuch für Töchter und ihre Mütter: Eine außergewöhnlich berührende Liebesgeschichte für Fans von Jojo Moyes und John Green mit besonderen Illustrationen, Skizzen, Notizen und E-Mails.

Rezension:

Dies wird eine sehr subjektive Rezension. Nun könnte man sagen, dass sind Rezensionen immer, aber ich versuche in der Regel schon auch mit einem gewissen Abstand ein Buch zu bewerten, um für alle Interessierten einen Mehrwert zu schaffen. Dies fällt mir ehrlich bei „Du neben mir“ ein bisschen schwer, denn ich habe es vorletztes Wochenende gelesen, als in meinem Bekanntenkreis ein junger Familienvater an Krebs gestorben ist. Das ganze Wochenende kreisten meine Gedanken um diese Tragödie und um dieses Buch. Ehrlich gesagt, musste man mich nur anpieksen und ich bin wegen jeder Kleinigkeit in Tränen ausgebrochen.

Vorweg, in diesem Buch geht es, wie ja auch schon im Klappentext ersichtlich nicht um Krebs und eigentlich auch gar nicht so sehr um Madeline Krankheit, sondern mehr um die Frage, was wir vom Leben erwarten, wie wir es nutzen, wie wir es wirklich leben und welchen Einschränkungen wir selbst dabei unterliegen. Manchmal sind dies Einschränkungen von außen. Von Menschen, Krankheiten und anderen Lebensumständen, aber oft erlegen wir uns auch selbst diese Einschränkungen auf.

Mich hat dieses Jugendbuch sehr getroffen. Etwas unglücklich finde ich den Vergleich mit Jojo Moyes und John Green im Klappentext. Nicola Yoons Roman ist ein Jugendbuch und nicht jeder, der Jojo Moyes Unterhaltungsromane gelesen hat, mag sich vielleicht darauf einlassen. John Greens Bestseller „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ hat mich nicht sonderlich von den Socken gehauen, während mich Madeleine, ihre Geschichte und auch die Schreibweise sehr berührt haben.

Das Buch ist auch drucktechnisch ein Genuss. Der Text wird oft unterbrochen durch Bilder, Tabellen, Notizen, Zitate und ähnliches. Dies lockert den Roman zusätzlich auf, verleiht ihm gleichzeitig aber auch eine große Tiefe, da diese Einschübe immer etwas mit dem Geschehen zu tun haben und sie noch auf ihre Art verstärken. Madeleine hat kaum Möglichkeiten mit ihrer Umwelt zu kommunizieren und ihre Schicksal zu verarbeiten und so sind diese Kleinigkeiten neben dem Text auch immer das Spiegelbild ihrer Gefühlswelt.

Ich hatte bei einer bestimmten Szene in der Mitte des Buches eine Ahnung, wie das Buch ausgehen wird und so kam es dann auch, aber erstens wird wohl nicht jeder diesen Hinweis erkennen und zweitens hat es mir persönlich überhaupt nichts ausgemacht, weil Maddies Krankheit für mich ohnehin nur Mittel zum Zweck ist, um zu beschreiben, wie zwei Menschen zueinander finden (trotz aller Widerstände)  und um ihren lange verschütteten Willen nach wirklichem Leben zu zeigen.

Die beiden Protagonisten sind liebevoll gezeichnet und abgesehen von Madelines Mutter und ihrer warmherzigen Pflegerin die einzigen Figuren, die wirklich wichtig sind. Wie Madeline mit ihrem Schicksal umgeht, habe ich einerseits sehr tapfer, andererseits aber auch als sehr merkwürdig empfunden. Wie kann jemand jahrelang nicht nach draußen gehen und dabei auch noch ohne menschliche Kontakte überleben? Ich bin eher die Marke Stubenhocker und könnte mich durchaus wochenlang in meiner Bude beschäftigen, aber wenn ich mir vorstelle, dass ich nicht mal ein Fenster öffnen darf (Madeline darf nur gefilterte Luft einatmen), geschweige denn Besuch empfangen, dann finde selbst ich das unglaublich beklemmend.

Madeline selbst ist ein sehr freundlich und zuvorkommend und versucht sowohl ihrer Mutter, als auch ihrer Pflegerin so wenig Arbeit wie möglich zu machen. Sie fühlt sich schuldig, weil durch die Krankheit nicht nur ihr Leben eingeschränkt ist, sondern eben auch das ihrer Mutter. Ich habe mich manchmal gefragt, wieso sie nicht wütend und verzweifelt ist und dann kamen wieder diese eingeschobenen Bilder und Sprüche und mir wurde klar, dass Madeline all dies durchaus ist, sie diese Gefühle aber nicht zulässt, um nicht durchzudrehen.

Madeline und Olly verlieben sich sehr schnell ineinander. Das mag der ein oder andere unrealistisch finden. Für mich war aber einfach offensichtlich, wie sehr die beiden sich brauchen und wie gut sie zusammenpassen. Madeline blüht förmlich auf, kann dadurch aber auch ihre Ängste und ihre Wünsche nicht mehr ignorieren. Ihre Liebe zu Olly wird zum Wendepunkt in ihrem Leben. Nicola Yoon beschreibt dies in so klaren und schmerzhaft schönen Worten, dass ich Buch nicht aus der Hand legen konnte. Ein bravoröser Debütroman von einer Autorin, von der ich sofort unbesehen jede weitere Veröffentlichung kaufen würde.

Note: 1

Cass, Kiera: Selection – Die Kronprinzessin

Band 4 Selection Serie

Originaltitel: The Heir
Verlag:
Sauerländer
erschienen:
2015
Seiten:
400
Ausgabe:
Hardcover
ISBN:
3737352240
Übersetzung:
Lisa-Marie Rust/Susann Friedrich

Klappentext:

Die Liebesgeschichte um America, Maxon und Aspen hat ihr Ende gefunden – aber die Geschichte der ›Selection‹ ist noch lange nicht vorbei!

Nun ist es an Maxons Tochter Eadlyn, der Kronprinzessin, sich ihren Prinzen aus 35 jungen Männern zu erwählen. Alles könnte perfekt sein, wäre da nicht ein Problem: Eadlyn hat dem Casting nur zugestimmt, um das aufgebrachte Volk mit einer glamourösen Show zu besänftigen. Und an die große Liebe glaubt sie sowieso nicht. Aber vielleicht glaubt die Liebe ja an Eadlyn!

Rezension:

Da ist er nun der vierte Band der ursprünglich als Trilogie geplanten Selection Reihe. Auf den ersten Blick hat sich nicht viel geändert. Maxon und America haben zwar die Kasten abgeschafft, aber noch immer brodelt es im Land und das Palastleben mit seinen Wachen, Zofen und Bediensteten geht seinen üblichen Gang. Das die Autorin ein erneutes Casting als Dreh- und Angelpunkt für ihre Fortsetzung vorsieht, ist Chance und Gefahr zu gleich.

Dadurch, dass nun eine Prinzessin ihren Ehemann finden soll, gibt es erstmal keine Horden von sich gegenseitig anzickenden jungen Mädchen. Dafür sind die männlichen Kandidaten noch austauschbarer wie die Mädchen aus den ersten drei Bänden. Nur einer handvoll gibt Cass im Laufe der Handlung so etwas wie ein Profil. Der Rest verschwindet in der Masse und man merkt sich nicht mal die Namen. Grundsätzlich fand ich die ganze Gruppe etwas merkwürdig geschildert. Junge Männer, die in einem Herrensalon herumsitzen und vor sich hinkichern, wenn die Prinzessin etwas sagt? Da würde mir an Eadlyns Stelle das Verlieben auch schwer fallen. Überhaupt hat es die Autorin nicht so mit ausführlichen Beschreibungen. Bis auf den Lockenkopf eines Kandidaten, kann ich keine einzige Figur in diesem Roman äußerlich beschreiben. Auch nicht Eadlyn. Es wird nicht mal erwähnt, welche Haarfarbe sie hat. Hier hätte man vielleicht die Schriftgröße mal etwas runterschrauben und ein bisschen Inhalt einfügen können, ohne die Anzahl von knapp 400 Seiten zu überschreiten.

Für Fans der vorherigen drei Bände ist „Die Kronprinzessin“ in Bezug auf Maxon und America zudem eine Enttäuschung. Natürlich sind nun knapp 20 Jahre vergangen, aber America hat absolut nichts mehr von der jungen Frau aus dem Casting. Sie wirkt auf mich eher wie eine Kopie von Maxons sanftmütiger Mutter. Beide sind zu austauschbaren Nebenfiguren geworden, was ich ziemlich ärgerlich finde. Auch das ewige Herumreiten auf Maxons graue Haare und Sorgenfalten fand ich doch etwas übertrieben. Der König ist vielleicht Mitte 40 und wird besonders gegen Ende beschrieben, wie ein alter Tattergreis. Natürlich lasten vermutlich die Sorgen und Nöte eines Volkes mehr auf einem Menschen, als ein normaler Job, aber auf der anderen Seite wird der Königsfamilie auch ziemlich viel abgenommen und sie leben ein priviligiertes Leben in Saus und Braus.

Letzteres führt mich dann auch gleich zu Eadlyn, mit der ich leider überhaupt nicht warm geworden bin. Das sie weder wie ihr Vater, noch wie ihre Mutter wirkt, finde ich tendenziell erstmal gut, denn alles von Band 1-3 nur aus einer anderen Perspektive noch mal zu lesen, wäre doch ziemlich uninteressant. So ist es durchaus löblich, dass Kiera Cass ihrer Protagonistin einen gänzlich anderen Charakter verleiht. Leider ist Eadlyn unnahbar, verwöhnt, überheblich und obwohl einige Eigenschaften erklärt werden, ist es letztlich einfach zu viel. Ich kann verstehen, dass die junge Fraue ihre Gefühle zurückhält, weil das nicht so ihr Ding ist und das es schwierig ist, sich von der Berufung der Kronprinzessin zu lösen, ebenfalls. Kein Verständnis habe ich jedoch für das wehleidige Geschwafel, dass sie ja ach so viel zu tun hat, während ihre Zofe ihr mal wieder das Badewasser einlaufen lässt und Blüten ins Wasser streut. Da ist mir doch manchmal ein sarkastisches „Liebchen, Du hasses echt schwer“ rausgerutscht.

Auf den letzten 50 Seiten nimmt der Roman dann endlich ein bisschen Fahrt auf, auch wenn ich mir nach dem wirklich guten dritten Band erhofft hätte, dass die Autorin etwas mehr auf die Rebellion und die Geschehnisse außerhalb des Palastes eingehen würde. Im Gegensatz zu Maxons Casting, bin ich mir bei Eadlyn auch nicht zu 100% sicher, für wen sie sich entscheiden wird. Kyle, der mit ihr zusammen aufgewachsen ist, scheint mir eine zu offensichtliche Wahl zu sein, auch wenn die Anziehungskraft zwischen ihnen deutlich ist. Wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich ja auf Henrys Übersetzer Erik tippen, der eigentlich gar kein Kandidat ist. Aber kommt Zeit, kommt Band 5, der Stand heute übrigens wirklich der Abschlussband der Serie sein soll.

Abschließend muss ich sagen, ist „Die Kronprinzessin“ für mich der schlechteste Band. Es passiert sehr wenig, die Figuren bleiben bis auf Eadlyn oberflächlich und wirken teilweise richtiggehend lieblos. Trotzdem habe ich die letzten 150 Seiten nachts bis knapp vier Uhr verschlungen. Es ist süffige Fastfood-Literatur und ich gebe ehrlich zu, ich freue mich auf den letzten Band und auf ein erneutes wunderschönes Cover.

Note: 3

Condie, Ally: Atlantia

Originaltitel: Atlantia
Verlag:
FJB
erschienen:
2015
Seiten:
416
Ausgabe:
Hardcover
ISBN:
3841421695
Übersetzung:
Stefanie Schäfer

Klappentext:

Bay, du fehlst mir so sehr, flüsterte sie in die Muschel. Aus dem Inneren tönte ein rauschender Gesang und erinnerte an eine Zeit, als Wasser und Land noch zusammengehörten. Wo auch immer an der Landoberfläche ihre Schwester nun war, sie musste sie finden – auch wenn es niemandem erlaubt war, die Stadt unter der Glaskugel zu verlassen.

In einer Welt, die in Wasser- und Landbevölkerung aufgeteilt ist, werden die Zwillingsschwestern Rio und Bay durch einen Schicksalsschlag getrennt. Bay tritt ihre Reise zur Oberfläche an. Rio bleibt in Atlantia zurück. Um ihre Schwester wiederzusehen, muss sie herausfinden, warum Wasser und Land getrennt wurden und welche wunderbare und zugleich zerstörerische Gabe die Frauen der Familie verbindet.

Rezension:

Ally Condie konnte mich schon mit ihrer Cassia & Ky Trilogie begeistern. Ich mag die unaufgeregte Schreibe der Autorin, die eher eine Verfechterin der leisen Geschichten ist. Wer eine krachende und actionlastige Dystopie erwartet, wird mit Condie nicht glücklich werden, was sich auch in den eher durchwachsenen Rezensionen von „Atlantia“ wiederspiegelt.

Mich hat „Atlantia“ allerdings glücklich gemacht. Angefangen mit einem detaillierten und farbenprächtigen Weltenbau, der so plastisch ist, dass ich ab und zu mal geschaut habe, ob es nicht oben bei mir an der Zimmerdecke durchtröpfelt. Ich finde die Vorstellung ja ziemlich gruselig, unter einer Glaskuppel zu wohnen, während über mir hunderte Meter Wasser vor sich hin plätschern. Die ganze Stadt, der Tempel und der Markt kommen einem vor wie in Technicolor, so eindrücklich und dabei gar nicht ausufernd beschreibt die Autorin ihre Vision.

Auch die Figuren haben mir allesamt sehr gut gefallen. Besonders natürlich Rio, deren Gedankenwelt, aber auch besonders ihre Gefühle nach dem Tod der Mutter und dem Weggang ihrer Schwester Bay sehr feinfühlig beschrieben werden. Sie ist auf dem ersten Blick ein eher zurückhaltendes Mädchen. Hier hat sie mich an Cassia aus Condies vorheriger Trilogie erinnert. Im Gegensatz zu vielen anderen Romanen dieses Genres mutieren Condies Heldinnen nicht innerhalb von drei Seiten zu absoluten Powerfrauen, sondern sie lernen bedächtig mit neuen Situationen umzugehen, wachsen an ihnen und beginnen für ihre Überzeugungen einzustehen. Dazu gehört Mut, aber eben auch die nötige Zeit, um sich zu entwickeln und diese gibt die Autorin ihren Figuren. Manche Leser mögen das langatmig finden. Ich empfinde es als realistisch und erfrischend anders.

Auch sprachlich überzeugt die Autorin wieder auf ganzer Linie. Sie hat eine manchmal fast poetische Art zu schreiben, die sich mit der Handlung verändert und wodurch sich ein harmonisches Ganzes ergibt. Das Geheimnis um „Atlantia“ bietet zudem jede Menge Knobelpotential und bis zum Ende gibt es immer wieder überraschende Wendungen. Figuren verhalten sich plötzlich anders als erwartet und nichts ist so, wie es scheint.

Positiv hervorheben, möchte ich, dass es sich bei „Atlantia“ tatsächlich mal um einen Einzelband handeln. Kein Warten auf irgendwelche Fortsetzungen, sondern ein bis zum Schluss gut erzählter und spannender Roman, den ich Freunden ungewöhnlicher Dystopien nur ans Herz legen kann.

Note: 1

Arnold, David: Auf und davon

Originaltitel: Mosquitoland
Verlag:
Heyne fliegt
erschienen:
2015
Seiten:
384
Ausgabe:
Hardcover
ISBN:
3453269837
Übersetzung:
Astrid Finke

Klappentext:

Wer würde nicht gerne einfach mal verschwinden? In den nächsten Bus springen und alles hinter sich lassen? Genau das macht die sechzehnjährige Mim Malone. Es reicht ihr, immer das zu tun, was ihr Vater und seine neue Frau für richtig halten. Sie will wissen, weshalb ihre Mom aus ihrem Leben verschwunden ist. Und ihre Gedanken sollen endlich aufhören, in ihrem Kopf Karussell zu fahren. Also steigt sie einfach in den Greyhound-Bus und haut ab, zu ihrer Mom. Während draußen die Landschaft vorbeifliegt, macht Mim einige unvergessliche Bekanntschaften – die wunderbare Arlene, den unheimlichen Ponchomann und den äußerst attraktiven Beck, an den sie ihr Herz zu verlieren droht … Doch dann verändert ein tragischer Unfall von einem auf den anderen Augenblick alles. Und Mim muss sich den wirklich entscheidenden Fragen in ihrem Leben stellen.

Rezension:

Ich habe erst vor wenigen Minuten dieses Buch beendet und weiß absolut nicht, wie ich das Leseerlebnis in Worte kleiden soll. „Auf und davon“ ist überhaupt nicht so, wie ich es nach dem Klappentext erwartet habe, aber ich befürchte, kein Klappentext der Welt würde diesem Roman gerecht werden, denn weder Handlung, noch Figuren, noch Schreibstil lassen sich in fünf Sätze zusammenfassen und auf einen Buchrücken drucken.

An diesem Buch ist absolut nichts gewöhnlich, dafür einiges verwirrend, wunderschön, verrückt, merkwürdig, komisch, traurig und absurd. Diese Ambivalenz macht sich im übrigen auch in den Rezensionen bemerkbar, die oft eher mittelprächtig sind, weil – und das meine ich jetzt nicht böse oder überheblich – wohl der ein oder andere Leser von diesem Buch überfordert wird.

David Arnold bringt sehr viele Themen zur Sprache. Krankheiten, Behinderungen, Ausgrenzung, versuchter Missbrauch, etc., aber trotz alledem ist es doch vor allen Dingen Mims Weg zu sich selbst. Ja, er ist getarnt als Roadtrip zu ihrer Mutter und es gibt einige Dinge, die sie auf dieser Reise erlebt, aber letztlich sind es Mims Gedanken und Gefühle, die diesen Roman ausmachen und ihn tragen. Das mag der ein oder andere langweilig finden, aber wir sind hier ja auch nicht bei Star Wars, wo zwischendurch mal ein Laserschwert gezückt wird.

Wobei ich auch sagen muss, es passiert eigentlich den ganzen Roman über etwas. Mim lernt Menschen kennen, die sie mag oder sogar liebt. Menschen, die ihr Angst machen und sie bedrohen oder die sie einfach unglaublich nervig findet. Immer wieder geht sie gedanklich auch zurück in ihre Kindheit, um die Beziehung zu ihren Eltern zu beleuchten und um sich an ihre Mutter zu erinnern. Es gibt genug Dinge, die der Leser verstehen und verdauen muss. Ich frage mich, wie man sich dabei ernsthaft langweilen kann.

Tatsächlich gab es auch für mich in der Mitte des Romans einen kleinen Bruch. Mim entschließt sich irgendwann ohne den Greyhound-Bus ihre Reise fortzuführen und da wurde der Roman für mich 30-40 Seiten ein bisschen arg skurril. Aber ich habe einfach weitergelesen und plötzlich ergab dann doch irgendwie alles einen Sinn.

Ein paar Wendungen hält der Roman natürlich auch bereit. So hatte ich bis zum Schluss keine Ahnung, an wen Mim ihre eingestreuten Tagebucheinträge richtet. Dafür hatte ich ziemlich schnell raus, was mit ihrer Mutter los ist. Auch wenn das der Eindrücklichkeit des Schlusses keinen Abbruch getan hat.

Ohnehin lebt der Roman aber von Mim. Niemand wird sich vollends mit diesem Mädchen identifizieren können, denn dazu ist so wohl zu seltsam und auch zu außergewöhnlich, aber es gibt so viele Dinge, die ich an ihr bewundere. Sie ist mutig und entschlossen, wo andere längst aufgeben, dabei hat sie es doch ungleich schwerer.

Stilistisch fährt David Arnold hier übrigens schwerste Geschütze auf. Mein lieber Schwan kann der Mann schreiben. Es gibt so viele einzelne Sätze oder auch ganze Passagen, die ich mehrfach gelesen habe, weil sie einfach so wunderschön sind oder so etwas ultimativ Wahres aussagen, dass einem den Atem stockt. Ich würde unbesehen wieder ein Buch von diesem Autor kaufen und wenn es von Schweinen auf dem Mond handeln würde.

So wie Mim immer sagt „Ich bin Mary Iris Malone, und mit mir stimmt etwas nicht“, könnte man auch sagen… „Hallo – ich bin das Buch Auf und davon und mit mir stimmt etwas nicht. “ Nur um dann am Ende festzustellen, dass mit Mim eigentlich alles stimmt und mit dem Buch erst recht!

Note: 2+