Die verlorene Generation

Heute morgen las ich auf Brösels Bücherregal die Rezension zu Anna Todds „After Passion“.  Daniela fand das Buch äh… ja … eher weniger gut und hat mit ihrer Meinung auch nicht hinterm Berg gehalten. Wozu auch?! Ihre Rezension und meine Kommentare zu dieser, haben mich auf die Idee zu dieser Kolumne gebracht, die – ich warne vor – sehr überspitzt ist, ein bisschen bösartig und bewusst einseitig. Wenn jetzt trotzdem der Shitstorm über mich hereinbrechen sollte, macht das aber nix! :mrgreen:

Es gibt nichts Schlimmeres als schlechten Sex? DOCH! Einen ganz schlechten Erotikroman!

Als im Sommer 2012 die deutsche Version von „Shades of Grey“ im Goldmann Verlag erschien, konnte keiner ahnen, dass da grad der ganz große „nächste heiße scheiß“ erschienen ist, wie man heute so schön sagt. Nun, knapp drei Jahre später, sind jede Menge gleichgiftige Pilze aus dem Boden geschossen und weil man mit ein bisschen auf dem Popo Rumgehaue keinen Greis mehr hinterm Ofen hervorlockt, hat man das Ganze kurzerhand in den Jugendbuchbereich verlagert und nennt das nun „New Adult“. Für die glücklichen Nichtwisser eine kurze Erklärung. Bei „New Adult“ geht es in 99,9% aller Fälle um ein junges unbedarftes Mädchen, welches gerade aufs College wechselt und sich dort dann NICHT in einen der intelligenten freundlichen Mitstudenten verliebt, sondern in den verboten gutaussehenden Badboy. Beide haben IMMER ganz viel schlimme Dinge in ihrem Leben erlebt und bis sie sich nach 200-700 Seiten glückselig liebend in die Arme fallen, haben sie sich mindestens 50% (meist aber 90%) der Zeit zwischen den Laken, auf dem Küchentisch, auf dem Rücksitz, auf dem Fußboden, in der Dusche oder sonstwo sexuell verausgabt. Die anderen 50% (oder 10%) wird sich missverstanden, gestritten und krude Familiengeheimnisse aufgedeckt, während die Heldin zwischendurch noch kurz über ihre multiplen Orgasmen nachdenkt (was soll man auf dem College auch sonst tun…) und der Badboy natürlich zu Muttis-Liebling mutiert. Frauen dieser Welt… in der Wirklichkeit bleiben Arschlöcher meistens Arschlöcher!

Das Ganze ist meist ideenlos und austauschbar und mal mehr oder weniger gut geschrieben. Schlimmer wird es, wenn man wie im Fall von „Shades of Grey“ und „After Passion“ von den Autoren unter die Nase gerieben kriegt, dass es sich eigentlich um Fanfictions handelt. So ist Christian Grey an Robert Pattinsons Darstellung von Edward Cullen angelehnt und der Protagonist in „After Passion“ soll Hary Styles der Boyband „One Direction“ sein. Muss ich erwähnen, dass die Autorinnen erwachsene Frauen sind??  8-O Mädels, könnt ihr so was nicht Euren Tagebüchern anvertrauen? Und Eure komischen feuchten Ergüsse gleich mit?

Und jetzt stelle ich mir die Frage, wieso das so vielen Leserinnen genügt. Wieso bloggen sie hunderttausendfach mit blinkenden Herzchen wie toll das alles ist. Das hat doch alles nichts mit der Wirklichkeit zu tun! Nun bellen alle getroffenen Hunde, dass bei Fantasy und Konsorten es doch mit der Wirklichkeit auch nicht weit her ist und das man den Leserinnen doch bitte ihre romantischen Märchen lassen sollte. Märchen? Ich kenne keine Märchen, wo die weibliche Figur zum willenlosen Sexpüppchen mutiert und die Erfüllung all ihrer Träume die Aufmerksamkeit des Helden ist – egal, wie oft er sie zwischendurch zurückstößt und wie Dreck behandelt. Und ja, natürlich sind es nur Bücher, aber wer glaubt denn bitte, dass Literatur, Filme, etc. keinen Einfluss auf unsere Gesellschaft haben, besonders wenn es sich dabei um Bücher handelt, die millionenfach gelesen werden?

Bevor mich einer falsch versteht. Natürlich sind nicht alle Leser, die so was lesen willenlose Püppchen.  Genauso wenig wie alle Leute die James Joyce lesen, besonders intelligent sind. Aber die bemühten Klischees stimmen leider sehr oft schon, denn das erlebe ich täglich beim Buchverkauf. Letzte Woche erst, betraten zwei perfekt angemalte und bestrumpfte Damen Anfang zwanzig unseren Laden (wohlgemerkt mittags.. aber vielleicht hatten sie ja auch einfach nur Urlaub). Die eine versuchte krampfhaft keine ihrer Primarktüten zu verlieren oder sie mit dem spitzen bunten Fingernagel mit Glitzer zu durchbohren. Weil man weiß ja, ein Löchschen drin in der Papiertüte und schon hat man die von gutsituierten gelangweilten Frauen aus Bangladesh (Achtung: Ironie!) von Hand geklöppelten Waren auf dem Gehweg liegen. Die andere warf das blondierte Haupthaar nach hinten, legte mir den zweiten Shades of Grey Band auf die Kassentheke und reichte mir Papis Kreditkarte ihre EC-Karte, während sie zu ihrer Freundin sagte: „Das erste hatte ich in drei Wochen durch. Das ist soooo geil geschrieben.“ Mir wäre fast ein staubtrockenes „nein, ist es nicht“ rausgerutscht, war dann aber vom Anblick der akrobatischen Fingerverrenkungen der Kundin abgelenkt, als sie mit 20cm langen Nägeln (diesmal in Regenbogenfarben) versuchte ihre Pin einzugeben.

Ich weiß, vor ein paar Wochen habe ich mich noch dafür ausgesprochen, dass jeder das lesen sollte, was er möchte und das gilt auch immer noch. Aber dennoch frage ich mich, wohin das alles führt. Die Hoffnung, dass sich diese Leser irgendwann weiter entwickeln, habe ich einfach nicht. Ich muss mich nur auf Facebook umgucken. Die lesen alle immer wieder den selben Schmarrn und freuen sich über den neuesten Schmuddelroman aus der Bestsellerfabrik. Sind junge Frauen mittlerweile so desillusioniert, dass sie Liebe mit Sex verwechseln? Kann sich wirklich jemand mit perfekten Barbiepuppen identifizieren, die niemals handeln wie reale Menschen? Was zieht man auf Dauer aus so etwas? Natürlich kann man zwischendurch oder auch grundsätzlich nur Unterhaltung lesen (tue ich auch oft), aber tut es zur Berieselung nicht auch Nora Roberts oder Sophie Kinsella? Die wiederholen sich wenigstens nicht in jedem zweiten Satz und geben kein so diskussionswürdiges Frauenbild zum besten.

Ist „Die verlorene Generation“ als Titel für diese Kolumne nicht ein bisschen übertrieben? Wahrscheinlich, aber ich denke mir in den letzten Wochen und Monaten… wir haben so viele Probleme auf dieser Welt. In Deutschland grassiert Fremdenhass wie schon lange nicht mehr, überall Krieg und Hass und Leid und manchmal habe ich das Gefühl, wenn ich in Dortmund über den Westenhellweg laufe, sehe ich nur junge Frauen, die nur um sich selbst kreisen. Denen es egal ist, woher ihre Klamotten kommen, denen es egal ist, was sie aus ihrem Leben machen, solange der frisch gegelte und ganzkörperrasierte Typ um die Ecke seine Blicke lüstern über das Fahrgestell gleiten lässt. Ich sehe intelligente junge Frauen, die mit Ideen und Elan Projekte im Internet verwirklichen und trotzdem kaum Gehör finden und dann sehe ich Kim Kardashian, die Millionen von Followern auf Instagram hat, weil es die Leute interessanter finden, ob sie gerade blond oder braunhaarig ist, anstatt sich mal um die Belange der Welt zu kümmern.

Ich frage mich, was ist nur los mit Euch???!!!

Links to Love #3

 1) Diese Woche habe ich einen kleinen Hüpfer durch die Wohnung gemacht, als ich in einem Artikel des Spiegels las, dass Harper Lees Anwältin ein altes Manuskript von ihr wiedergefunden hat und nun erscheint 50 Jahre nach „Wer die Nachtigall“ ruft im Sommer die Vorgeschichte „“Go Set A Watchman“. Ich hoffe wirklich, dass sich schnell ein deutscher Verlag für das Buch findet, denn „Wer die Nachtigall stört“ ist einfach ein ganz wundervolles Buch, welches ebenso wundervoll mit Gregory Peck verfilmt worden ist. Ich bekomme direkt Lust, es noch einmal zu lesen.

2) „Shades of Grey – Der Film“ ist im Anmarsch. Da man diese Woche ohnehin nicht dran vorbeikommen wird, zäumen wir das Pferd doch einfach mal von hinten auf. Okay, in diesem Zusammenhang klingt der letzte Satz ein bisschen… naja… :roll: Wer also gar nichts damit anfangen kann, der wird sich vielleicht um so mehr über diesen Trailer freuen. Allerdings macht er besonders Spaß, wenn man den Original-Trailer kennt. Er wurde nämlich 1:1 inklsuvie Ton, Musik, etc. übernommen.

3) Um das Niveau direkt mal wieder um mehrere tausend Prozen anzuheben, möchte ich Euch nun noch Maras Artikel über den Preis der Leipziger Buchmesse ans Herz legen. Ich gestehe, ich kenne dieses Jahr nicht ein einziges Buch, allerdings bin ich da wohl in bester Gesellschaft, wenn ich mir so die Kommentare unter dem Artikel durchlese. Aber zumindest das Buch von Michael Wildenhain habe ich mir mal notiert.

James, E.L.: Shades of Grey – Geheimes Verlangen

Band 1 Shades of Grey Trilogie

Originaltitel: Fifty Shades of Grey
Verlag:
Goldmann
erschienen:
2012
Seiten:
608
Ausgabe:
Klappenbroschur
ISBN:
3789132187
Übersetzung:
Andrea Brandl/Sonja Hauser

Klappentext:

Sie ist 21, Literaturstudentin und in der Liebe nicht allzu erfahren. Doch dann lernt Ana Steele den reichen und ebenso unverschämt selbstbewussten wie attraktiven Unternehmer Christian Grey bei einem Interview für ihre Uni-Zeitung kennen. Und möchte ihn eigentlich schnellstmöglich wieder vergessen, denn die Begegnung mit ihm hat sie zutiefst verwirrt. So sehr sie sich aber darum bemüht: Sie kommt von ihm nicht los. Christian führt Ana ein in eine dunkle, gefährliche Welt der Liebe – in eine Welt, vor der sie zurückschreckt und die sie doch mit unwiderstehlicher Kraft anzieht …

Rezension:

Irgendwie weiß ich gar nicht was ich jetzt über das Buch schreiben soll. Es ist echt selten passiert, dass mich ein Buch so zwiegespalten zurück lässt. Also das positive ist in jedem Fall, dass das Buch sich schnell und flott lesen lässt. Ich fand die Ich-Erzählperspektive schon einerseits störend, andererseits macht sie Christian natürlich noch geheimnisvoller als er eh schon ist. Was mich wahnsinnig gemacht hat sind die fehlenden Absätze in dem Buch. Ich kann es gar nicht haben, wenn es in einer Geschichte dann so von einer Szene (mit Orts – und Tageszeitwechseln) in die nächste geht und man als Leser gar keine optische Chance hat das zu bemerken. Die ständigen Wortwiederholungen fand ich auch etwas fad, aber so ganz schlimm gestört wie andere hat es mich jetzt nicht. Aber ich wusste ja auch quasi worauf ich mich einstellen muss.

Ich lese wirklich gerne Liebesromane und mag die „Tortured Heroes“ sehr gerne, auch Christian hat mich irgendwie in seinen Bann gezogen, aber andereseits hat mich die Gesamtsituation zum Ende auch genervt. Ich hätte mir von Ana mal mehr Nachbohrungen gewünscht und nicht immer, dass es dann nur um das eine geht. Die Sexszenen waren mir nämlich irgendwann auch zu viel. Für mich trat dann so ab der Hälfte des Buches ein „Übersättigungs“-Effekt ein, wo man eher geneigt ist zu denken „Müssen die jetzt schon wirklich wieder…“ Es geht mir persönlich gar nicht so sehr um das BSDM (obwohl das auch nicht mein Lieblingsthema ist), aber es war in der Masse der Sexszenen einfach zu viel.

Trotz alledem hat mich die Story gefesselt, was wahrscheinlich daran liegt, dass ich Christian schon als Mann toll finde, so dunkel und undurchschaubar er ist. Ich werde die Fortsetzung lesen, weil ich wissen möchte, wie es mit Ana und ihm weiter geht…

Wie gesagt, das Buch lässt mich irgendwie ratlos zurück. Ich bin weder Feuer und Flamme, noch wirklich total enttäuscht. Man muss vielleicht die komplette Trilogie lesen, um sich ein Gesamturteil über die Geschichte bilden zu können.

Note: 3